Frage der Dogmatik

Martin Grubingers Experiment
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Gregorianik trifft auf Schlaginstrumente der ganzen Welt, zum Teil auch auf Blasinstrumente, Bass, Piano und sogar türkischen Gesang.

Dunkler Wirbel der Kesselpauke dröhnt aus den Lautsprechern, noch verstärkt durch das Rasseln einer Snare. Dann Tonkaskaden verschiedenster Gongs, die gleich wieder vom repetitiven Muster eines Marimbaphons abgelöst werden, über dessen Teppich sich bald der Gesang der Benediktiner-Mönche von Münsterschwarzach ausbreitet.

Gregorianischer Gesang gehört zu den archaisch-reinsten Formen der Musikgeschichte. Das Wort Gottes steht im Mittelpunkt der einstimmigen Choräle, kein Zierat soll davon ablenken. Und nun diese Veröffentlichung des Percussion-Shooting-Stars Martin Grubinger, Drums 'n' Chant. Gregorianik trifft auf Schlaginstrumente der ganzen Welt, zum Teil auch auf Blasinstrumente, Bass, Piano und sogar türkischen Gesang.

Puristen müssen nicht lange nachdenken, um auf die Frage, ob man das darf, zu einem klaren Nein zu kommen. Zumal hier etwas Künstliches vorliegt: Grubinger und seine dreizehn Mitstreiter, darunter allein sieben weitere Schlagwerker, haben nicht mit der Schola Cantorum aus Münsterschwarzach gemeinsam musiziert. Vielmehr haben sie Archiv-Aufnahmen der Deutschen Grammophon aus den Achtzigerjahren als Grundlage verwendet und ihre Beiträge im Studio als so genannte Overdubs nachträglich dazu gespielt. Dass die Benediktiner für solch ein Vorhaben grünes Licht gegeben haben, ist ein kleines Wunder - und spricht für Grubingers Überzeugungskraft.

Stimme und Schlaginstrumente als älteste musikalischen Ausdrucksmittel

Darf man das? Die Frage haben die Leitung der Schola Cantorum und die Musiker um Martin Grubinger mit ja beantwortet. Eine richtige Entscheidung: Dogmatik hat in der Musik nichts zu suchen. Das Experiment war es wert, gewagt zu werden, schon weil Stimme und Schlaginstrumente die ältesten musikalischen Ausdrucksmittel sind, die die Menschheit kennt. Sie gehören einfach zusammen.

Ein Agnus Dei mit Oboe, Bass und Hang (ein außergewöhnliches, in der Schweiz entwickeltes pentatonisch spielbares Schlaginstrument) ist eine faszinierende Kombination – und noch gewagter erscheint die Communio mit arabischen Instrumenten und Sufi-Solostimme!

ie CD bietet eine Vielzahl solcher neuer Klangerfahrungen, und der Kitschgefahr, die sonst gerne mit Fusionsprojekten einhergeht, sind Grubinger und Co. auch nicht erlegen. Es ist spannend, sich diesen Erlebnissen auszusetzen.

Martin Grubinger / Monks of Münster­schwarzach - Drums 'n' Chant. Deutsche Grammophon 477 8797.

Ralf Neite

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