Gold wert

Kunst und Kommerz müssen sich nicht widersprechen
Daniel Seghers, Flämische Schule, 17. Jahrhundert, Prado Museum. (Foto: akg-images)
Daniel Seghers, Flämische Schule, 17. Jahrhundert, Prado Museum. (Foto: akg-images)
Es scheint, als ob die Marktgesetze es so wollten, dass wir alle dem Konsum verfallen und an die Kultur mühsam gegen innere Widerstände herangeführt werden müssten. Aber das stimmte eben nicht mal vor Jahrhunderten.

Im 17. Jahrhundert gab es in Holland eine Tulpenspekulation. Tulpen wa­ren neu aus fernen Ländern eingeführt worden, sie galten als so wunderbar, dass alle Welt sich um ihre Zwiebeln riss. Auf dem Höhepunkt der Blase besaßen zwei Tulpenzwiebeln den Wert eines ganzen Einfamilienhauses. Was aber war der Nutzwert von Tulpen? Wozu waren sie gut? - Nur dazu, ihre fragilen Reize zu bestaunen und sich an ihrem außergewöhnlichen Farbenspiel zu berauschen.

Kultur und Kommerz werden gerne in Gegensatz zueinander gestellt. Kultur gilt als arm und unterstützungsbedürftig, Kommerz steht für reich und besteuerungswürdig. Es scheint, als ob die Marktgesetze es so wollten, dass wir alle dem Konsum verfallen und an die Kultur mühsam gegen innere Widerstände herangeführt werden müssten.

Umsätze, Riesengehälter und phantastische Umsätze

Aber das stimmte eben nicht mal vor Jahrhunderten. Auch heute hören wir von enormen Umsätzen, Riesengehältern und phantastischen Erlösen aus dem Bereich der Kultur. Gemälde berühmter Künstler kosten ein Vermögen, große Musiker, Dirigenten und Popsängerinnen werden in Gold aufgewogen, Filmstars mit Millionengagen entlohnt. Man kann nicht mal sagen, dass es nur die gut betuchte Oberschicht ist, die sich solche teuren Kunstgenüsse leisten kann.

Sicher, der Besitz eines Original-Picassos ist nur etwas für Superreiche. Aber in die Galerie kann auch der kleine Mann gehen, die Museen stehen ihm ebenso offen wie die Konzertsäle und die Kinos. Und wenn man jetzt noch den Sport mit hinzu nimmt, dann begreift man, dass die Umsätze, die im Bereich Kultur gemacht werden, hinter denen des Kommerzes kaum zurückstehen. Anders gesagt: Kultur ist Teil des Kommerzes, und falsch wäre es, dies für den Offenbarungseid der Kultur zu halten.

Wir leben in einer Marktwirtschaft. Auch die exorbitanten Preise, die auf dem Kunstmarkt, im Geschäft mit Musik und Film, mit Theater und Architektur erzielt werden, haben einen Bezug zum Markt. Sie bedeuten in letzter Instanz, dass uns allen die künstlerischen, musikalischen und auch sportlichen Hervorbringungen eine Menge wert sind, dass uns - jedenfalls vielen von uns - das Gute, Wahre und Schöne auch teuer ist. Das mag zu spekulativ hoch getriebenen Preisen führen. Aber jede Spekulation braucht eine materielle Wertbasis - oder eine Wertschätzung, die, wenn schon nicht materiell, so doch nicht weniger reell ist.

Derzeit kaufen vermögende Leute gern Gold, weil es als besonders wertbeständig gilt. Andere kaufen Gemälde oder alte Bücher oder investieren in Sportclubs, denn auch deren Wert verfällt - normale Zeiten vorausgesetzt - nicht so rasch. Aber dem liegt doch immer eine Wertschätzung zugrunde, die jenseits - oder besser diesseits - ökonomischer Gewinnspekulation liegt. Denn der Mensch ist eben nicht nur gierig, sondern auch begierig nach Schönheit - oder nur nach einem anderen Blick auf die Welt, als ihn der praktische Alltagssinn täglich bietet, ein Blick, der in Abgründe oder in den Himmel schauen lässt.

Wertschätzung

Kultur ist Gold wert. Weil es nicht stimmt, dass der Homo oeconomicus nur an materielle Dinge wie sein Auto, sein Haus oder seine Brötchen denkt und mit der Kultur nichts am Hut hat. Gewiss, die Menschen können auch ohne Kultur existieren. Aber wo sie die Wahl haben, wollen sie es nicht und tun sie es nicht. Manchmal müssen es eben Tulpen sein.

Barbara Sichtermann

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