Vordenker

Erinnerung an einen Aufklärer
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Ein gewichtiger Band über Daniel Ernst Jablonski zeigt: Der allzu vergessene einstige polnische Brüderbischof, Berliner Hofprediger, Akademie-Mitbegründer, Wissenschaftsorganisator, Bibel- und Talmudherausgeber war das alles - aber er war gerade auch ein wichtiger Vermittler in schwierigen Zeiten des Umbruchs vor über drei Jahrhunderten.

Hier liegt, handgreiflich, augenscheinlich und schwer abweisbar eine nachhaltige Erinnerung an einen vergessenen Berliner Hofprediger, Akademie-Mitbegründer, Wissenschaftsorganisator, Bibel- und Talmudherausgeber, vor. Es geschieht pünktlich, 350 Jahre nach dessen Geburt in Nassenhuben / Hochzeit bei Danzig. Fast jede der Studien in diesem materialreichen, mit Abbildungen von Originaldokumenten reichlich versehenen Bildband birgt zugleich Anregungen aus der Feder auch polnischer, holländischer und englischer Autoren aus dem "Europa der Frühaufklärung". Inmitten eines europaweiten Netzwerks von Korrespondenten und Partnern wird hier Daniel Ernst Jablonskis facettenreiches Wirken als Akteur und Vermittler in einer Umbruchzeit beleuchtet, das weit über das eines durchschnittlichen Hofpredigers hinausweist.

"Als Vordenker für das Zusammenwachsen Europas ist er neu zu entdecken", heißt es in der Einladung zum Festakt mit Buchvorstellung und Ausstellungseröffnung, zu dem die Akademie, das deutsche Kulturforum östliches Europa und der Berliner Dom einluden. Diese Aufarbeitung hatte im Jahr 2000, da man des dreihundertsten Gründungsdatums der Brandenburgischen Sozietät, später: Preußische Akademie der Wissenschaften, gedachte, begonnen, von der seit 1992 neu begründeten Deutschen Comeniusgesellschaft angeregt, wodurch die eminente Bedeutung der Partnerschaft des hiesigen Hofpredigers mit Leibniz für deren Gelingen und Weiterarbeit auch in der Akademie erst voll gewürdigt wurde. Das ist nur einer der Bereiche, der hier darzustellen war.

Von Friedrich Wilhelm I. als Vorbild empfohlen

Umfassend geschieht solche Aufarbeitung seit 2004 in einer Arbeitsstelle an der Universität Stuttgart, geleitet von Joachim Bahlcke, die vor zwei Jahren einen ersten Band einer Reihe "Jabloniana" herausgab. Zu würdigen war Jablonskis Predigtgabe - Friedrich Wilhelm I. empfahl ihn den Predigern zum Vorbild - ebenso wie seine diplomatische Feinfühligkeit. Da­zu insbesondere sein Streben nach Überwindung der noch immer verhärteten konfessionellen Standpunkte. Im Geiste theologisch aufgeklärter Irenik wurde er zum Vorbereiter nicht nur der altpreußischen Union. Hier werden die biographischen Vorgaben (der Großvater Comenius, der Vater Peter Figulus, der des Ökumenikers Dury Sekretär war) nachgewiesen: die Bedeutung von Familienkontakten ebenso wie die der internationalen Vernetzung des Calvinismus.

Er blieb dem friedfertigen Geist seiner exilierten, in Polen aufgenommenen Brüdergemeine verbunden, wie später gegenreformatorischer Verfolgung ausgesetzten Protestanten. Durch seine Studien in Oxford und die lebenslangen Kontakte mit England erkannte er die anglikanische Tradition als eine "Mittelstraße" zwischen den Konfessionen, darin mit Leibniz übereinstimmend. Das galt ihm in Lehre und Liturgie (er gab das Common Prayer Book deutsch heraus) wie für die Kirchenverfassung. Für diese empfahl er, in Anlehnung an die anglikanische, eine reformiert-bischöfliche, um alle drei Reformationskirchen mit der alten Kirche auch konstitutionell verbunden zu sehen.

Könnten die Gespräche zwischen der EKD und der Kirche von England daraus nicht Honig ­ziehen? Und auch die Reformationsdekade?

Joachim Bahlke u.a. (Hg.): Brückenschläge. Daniel Ernst Jablonski im Europa der Frühaufklärung. Verlag Janos Stekovics, Dößel/Halle 2010, 439 Seiten, Euro 24,90.

Manfred Richter

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