Noch steigerungsfähig

Eine kritische Begleitung des Reformprozesses bedarf der kommunikativen Offenheit.
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In zz 2/2011 konnten Sie eine Entgegnung der ­Bochumer Theologieprofessorin Isolde Karle auf die von Wolfgang Huber ­geäußerte Kritik (zz 1/2011) an ihrem Buch Kirche im Reformstress lesen. Hier noch einmal eine Replik.

Dankenswerterweise hat Isolde Karle den Ball aufgenommen, den ich ihr mit meinen Überlegungen zu ihrem Buch Kirche im Reformstress zugespielt habe. Bedauerlicherweise ist sie jedoch auf keines meiner Argumente eingegangen. Vielmehr hat sie die Gelegenheit dazu genutzt, die Thesen noch einmal vorzustellen, die sie bereits in ihrem Buch - und bei manchen anderen Gelegenheiten - vertreten hat.

Mir hält sie eine zu weitgehende Identifikation mit dem Reformprozess der EKD vor; das habe mich daran gehindert, wohlmeinende Kritik "mitdenkender Freunde" konstruktiv aufzunehmen. Isolde Karle fügt hinzu: "Dies war - nicht nur für mich - schon auf mehreren gemeinsamen Tagungen von EKD und wissenschaftlicher Theologie in beklemmender Weise zu spüren."

Unter meiner Beteiligung hat es freilich nicht mehrere, sondern nur eine Tagung dieser Art gegeben. Sie fand vom 23. bis 25. Januar 2009 in Wuppertal statt und hatte den "Beitrag der Theologie in den gegenwärtigen kirchlichen Herausforderungen" zum Thema. Der Heidelberger Systematiker Wilfried Härle hielt den Eröffnungsvortrag zu diesem Symposion. In dessen gedruckter Fassung attestierte er mir ausdrücklich, dass ich in meinem Vortrag beim Zukunftskongress in Wittenberg 2007 die theologischen Fragen an das Impulspapier "Kirche der Freiheit" "konstruktiv aufgenommen und verarbeitet" habe. Um eine solche Haltung habe ich mich auch in Wuppertal bemüht.

Einsichten aufgenommen

Trotzdem kann ich dem Resümee zustimmen, das Karle selbst abschließend in Wuppertal mit folgenden Worten gezogen hat: "Meiner Wahrnehmung nach ha­ben wir uns nicht leicht getan mit den unterschiedlichen Referenzsystemen von akademischer Theologie und Kirchenleitung. ... Die Kommunikationskultur ist ... noch steigerungsfähig."

Der im Juni 2006 veröffentlichte Text "Kirche der Freiheit" war ein "Impulspapier" - nicht weniger, aber auch nicht mehr. Er enthielt kein abschließendes Ergebnis, sondern sollte einen Prozess anstoßen, von dem weiterführende Ergebnisse erwartet wurden. Von Anfang an wurde angekündigt, es werde von diesem Impulspapier keine zweite Auflage geben - auch dann nicht, wenn durch die Diskussion neue und bessere Einsichten geweckt würden. Solche Einsichten gab es. Sie zeigten sich in vielen Diskussionsbeiträgen und in den veröffentlichten Beispielen guter Praxis. Sie wurden beim Zukunftskongress in Wittenberg 2007 ebenso besprochen wie bei der Zukunftswerkstatt 2009 in Kassel . Sie wirkten sich aus auf Konzeption und Arbeitsprogramm der Kompetenzzentren zu Predigtkultur, Gottesdienst und Kirchenmusik sowie Mission in der Region, die im Jahr 2009 ihre Arbeit aufnahmen.

Das zeigt sich auch im Blick auf die drei Themen, die Isolde Karle besonders am Herzen liegen: die Würdigung der parochial verfassten Ortsgemeinde, die Wertschätzung der Pfarrerschaft und die Vorsicht vor Ökonomisierung. Dass die verstärkte Aufmerksamkeit für Personal- und Profilgemeinden nicht als Aufmerksamkeitsentzug für die Parochialgemeinden gemeint ist und dass diese auch weiterhin die wichtigste Gemeindeform bleiben, wurde schon 2007 in Wittenberg als Diskussionsergebnis festgehalten; dass mit der Bezeichnung des Pfarrberufs als "Schlüsselberuf unserer Kirche" nicht etwa die intrinsische Motivation der Pfarrerschaft in Frage gestellt, sondern in Anspruch genommen werden sollte, wurde bei vielen Zusammenkünften der Pfarrerschaft betont und dankbar aufgenommen.

Entwicklungen wahrnehmen

Die Überzeugung, dass es bei den Reformbemühungen unserer Kirche nicht um die Anpassung an einen Ökonomisierungstrend, sondern um eine geistlich-theologische Bemühung geht, hat bei dem Symposion in Wuppertal ein Nicht­theologe besonders markant betont, nämlich Peter Barrenstein. Wilfried Härle hat daraus gefolgert, dass Angebote für Pfarrerinnen und Pfarrer vordringlich sind, "in denen geistliche und theologische Impulse so miteinander verbunden sind, dass sie ganzheitliche Regeneration und Hilfe versprechen".

Solche Überlegungen sind dem Reformprozess, der mit dem Impulspapier von 2006 begann, nicht etwa fremd, sondern sind integrale Bestandteile dieses Prozesses. Zur kritischen Begleitung durch "mitdenkende Freunde" gehört es, solche Entwicklungen wahrzunehmen. Die "Kommunikationskultur" ist noch steigerungsfähig.

zu: Isolde Karle "Reformen mit Besonnenheit" (zz 2-2011)

Wolfgang Huber

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