Enttäuschend

Über die Krise der Kirche
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Hans Küng ist ein Schnelldenker mit einem immensen theologisch-historischen Wissen, gesegnet mit einer eindrucksvollen Formulierungskunst.Und die katholische Kirche wäre eine noch traurigere, wenn es nicht Leute wie Küng gäbe. Doch sein neues Buch ist eine Enttäuschung.

Hans Küngs Ist die Kirche noch zu retten? ist ein enttäuschendes Buch. Das Werk nötigt einem zwar durchaus Respekt ab, denn für einen über 80-Jährigen ist es offenbar in einem rasanten Tempo geschrieben worden und höchst aktuell - die letzten Bemerkungen Küngs beziehen sich auf Ereignisse im Januar dieses Jahres. Wer sich aber auch nur ein wenig mit Küngs umfangreichem Oeuvre beschäftigt hat, wird allzu vieles wieder erkennen, sei es in seinen theologischen Werken oder aus seinen Interviews. Und sollte man nicht auch von einem bedeutenden Theologen wie Küng erwarten, dass er erst in die Tasten seines Computers greift, wenn er etwas Neues zu sagen hat?

Der katholische Theologe ist ein Schnelldenker mit einem immensen theologisch-historischen Wissen, gesegnet mit einer eindrucksvollen Formulierungskunst - und sicherlich gehört der Priester und Professor aus der Schweiz zu den historischen Gestalten in der Theologie und Kirchengeschichte des 20. Jahrhunderts. Und die katholische Kirche wäre eine noch traurigere, wenn es nicht Leute wie Küng gäbe. Der Tübinger Gelehrte hat immer mannhaft auch alle persönlichen Folgen getragen, die sein couragiertes Denken, eindeutiges Schreiben und furchtloses Protestieren nach sich zogen. Und das bis zum Entzug der Lehrerlaubnis an der katholischen Fakultät von Tübingen.

In seinem neuen Buch ist eine groß angelegte, klar formulierte und kluge Analyse der gegenwärtigen Krise der katholischen Kirche zu finden. Diese Krise der Kirche wäre demnach so zusammenzufassen: Der Fisch stinkt vom Kopf her. Denn es stimmt ja, dass viele der Krisensymptome, die die katholische Kirche seit Jahren schütteln, ihren Ursprung in der Politik der beiden Päpste, Johannes Paul II. und nun Benedikt XVI. haben.

Permanentes Eigenlob

Küng nutzt in seiner Analyse der gegenwärtigen Kirchenkrise durchgehend - und etwas zu häufig - die vielfältigen Metaphern der Medizin, denn er beschreibt diese Krise als eine Krankheit der Kirche, die es zunächst zu diagnostizieren, dann zu therapieren gilt. Dabei sind die Kapitelüberschriften oft schon so beredt, dass sich eine weitere Lektüre kaum mehr lohnt, etwa: "Bischöfe, die den Dialog verweigern", "Statt Erneuerung Restauration: Paul VI." oder "Den Frauen alle kirchlichen Ämter öffnen".

Häufig ergeht es dem Leser, der Küng schätzt, dann leider so, dass er bei der Lektüre zwar dauernd zustimmend nicken muss, aber auch des öfteren ein wenig gelangweilt ist, weil das alles vom Autor des Buches schon zuvor oft gesagt und geschrieben worden ist. Sicherlich, in dieser Klarheit, Schärfe und Kürze vielleicht nicht - aber selbst das ist ab und zu zweifelhaft, denn Küng neigt dazu, die ihm wichtigen Punkte an verschiedenen Stellen des Buches zu wiederholen.

Richtig peinlich jedoch ist das permanente Eigenlob, das der Theologe sich in seinem Werk gestattet. Da schreibt Küng etwa auf Seite 68, dass sein Werk Die Kirche von 1967 "in vielen Sprachen als unüberholter Klassiker bis heute im Studium benutzt" wird. Küng lobt weiter den späteren Baseler Bischof Kurt Koch, weil der ihn in einer Sätze lang zitierten Laudatio 1991 selbst gelobt habe (Seite 174). Und der Gipfel des Selbstlobs ist sicherlich das Zitat eines ungenannt bleibenden Arztes, mit dem Küng nach eigenem Bekunden befreundet ist. Der nämlich preist Küngs Werk, das er als "provisorische Fassung des Manuskripts" zu lesen bekam, als "großartiges Buch" (Seite 245) - und Küng zitiert diese Hymne natürlich ganz ohne Selbstironie.

Fazit: Ist die Kirche noch zu retten? mag für Leserinnen und Leser, die noch nie etwas von Küng gelesen oder gehört haben und über seine Eitelkeiten mit einem Lachen hinweg zu gehen bereit sind, ein Gewinn sein. Denn die Analyse der Kirchenkrise und die vorgeschlagene Therapie sind schlüssig und klar geschrieben. Für alle anderen hätte es aber auch ein längerer Essay getan.

Hans Küng: Ist die Kirche noch zu retten? Piper Verlag, München, 272 Seiten, Euro 18,95.

Philipp Gessler

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