Reisebegleiter

Rom zur Zeit Luthers

Vor 500 Jahren, also im Jahr 1511, unternahm der Mönch Martin Luther im Auftrag seines Augustinerordens eine Reise nach Rom. Mit dem Buch Luthers Rom - Die Ewige Stadt in der Renaissance nehmen der Kunsthistoriker Jürgen Krüger und der Theologe Martin Wallraff ihre Leserinnen und Leser mit auf eine Reise nach Rom, wie es sich zur Zeit Martin Luthers darstellte.

In einem ersten von drei Hauptkapiteln beschreiben die Autoren die Anreise nach Rom, die nicht auf den heute üblichen eiligen Wegen verlief, sondern durch die Landschaft Latiums auf der Via Cassia, einer der alten römischen Konsularstraßen beziehungsweise der Frankenstraße. Diese Wahl verlangsamt die Anreise und gewährt so im Zusammenhang mit Orten wie Bolsena, Montefiascone, Viterbo oder Sutri vertiefende Einblicke in die frühe Geschichte des Christentums.

Das zweite Hauptkapitel führt auf eine fiktive Reise durch Rom, vom Lateranpalast zum Vatikan. Luther kam in ein Rom, das nach einer Zeit des Niedergangs der Päpste in Avignon (1305-1378) und dem Schisma (bis 1417) nun erst seit knapp einhundert Jahren wieder auflebte. Die Päpste prägten durch ihre Bautätigkeit das Gesicht einer aufblühenden Stadt, die aufgrund der Tradition der Heiligen Jahre eine wachsende Zahl von Pilgern in ihren Mauern begrüßen konnte. Antikes Erbe, der christlich Glaube und die zeitgenössische Geistesentwicklung gingen eine charakteristische Symbiose ein.

Das fast hundert Seiten umfassende dritte Hauptkapitel unter dem Titel "Orte zum Verweilen" ist der Beschreibung einiger der wichtigsten Bauten gewidmet. Die Kirchen S. Maria del Popolo und S. Maria sopra Minerva werden ebenso ausführlich beschrieben wie die Lateransbasilika, der Lateranpalast und die Heilige Treppe, die Luther in einer Predigt kurz vor seinem Tod erwähnt hat. Den Abschluss bildet die Beschreibung von St. Peter und dem Vatikanpalast, sollten doch die Finanzierungsprobleme der Peterskirche und der damit verbundene Ablass für die Geschichte der Reformation eine wichtige Bedeutung gewinnen.

Der Reiz des Buches besteht darin, dass es zwei höchst ungleiche historische Größen miteinander in Beziehung setzt: die Stadt Rom in ihrer baulichen und kunstgeschichtlichen Entwicklung zu Beginn des 16. Jahrhunderts und den Mönch Martin Luther, aus dem der Reformator werden sollte. Der Titel Luthers Rom nötigt aber zu einer Präzisierung: Es geht natürlich nicht um ein von Luther geprägtes Rom, denn es gibt keine sichtbaren Spuren und Folgen des Romaufenthaltes von Luther. Es geht vielmehr nur um das Rom zur Zeit Luthers, um das Rom, das von einer Form des Christentums geprägt wurde, aus der auch Luther stammte, aber von der er sich gerade erst innerlich und dann auch äußerlich zu lösen begann. Wenn man Luther und Rom gegenüberstellt, dient die geographische Bezeichnung Rom in der Regel als Metapher für eine bestimmte Ausprägung des Christentums. In diesem Buch meint Rom tatsächlich die Kulturstadt, vornehmlich im Blick auf ihre Baugeschichte.

Insofern überrascht es nicht, dass im Hauptteil des Buches die kunsthistorische Perspektive - unterstützt durch eine Vielzahl von Fotografien - deutlich in den Vordergrund tritt. Damit kann das Buch einen Rombesuch hervorragend begleiten.

Was die nicht vorhandenen Spuren von Luthers Besuch im Jahr 1511 in Rom angeht, kann das Buch doch auf zwei Kuriositäten verweisen: Im Jahr 1527 hatte ein Soldat im Zuge der Plünderung Roms durch die Soldateska Kaiser Karls V. den Namen Luthers provozierend in eine Altarstufe der päpstlichen Gemächer eingeritzt. Ein anonymer Soldat trug Luthers Namen also sichtbar in das Zentrum des römischen Katholizismus. Und in einer Darstellung des pompösen Grabmals von Ignatius von Loyola sind Luther und Calvin als Häretiker verewigt. Luther ist offiziell in Rom angekommen - als Gegenstand konfessionalistischer Bildpropaganda.

Jürgen Krüger/Martin Wallraff: Luthers Rom. Die Ewige Stadt in der Renaissance. Primus Verlag, Darmstadt 2010, 176 Seiten, Euro 19,90.

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