Schönster Job in Niedersachsen

Der neue Präsident der Klosterkammer Hannover war Pfarrer und Abgeordneter
Hans-Christian Biallas. Foto: Klosterkammer
Hans-Christian Biallas. Foto: Klosterkammer
Die Klosterkammer Hannover ist eine bundesweit einmalige Einrichtung. Michael Grau, epd-Redakteur in Hannover, stellt sie und ihren neuen Chef, Hans-Christian Biallas, vor.

Einen Satz hat Hans-Christian Biallas in den vergangenen Wochen oft gehört. "Präsident der Klosterkammer ist der schönste Job in Niedersachsen!" Das Wort geht auf Ministerpräsident Hinrich Wilhelm Kopf (1893-1961) zurück und wird seitdem immer wieder kolportiert. Aus gutem Grund: Die Klosterkammer Hannover verwaltet vier Stiftungen mit einem riesigen historischen Schatz, siebzehn Klöster und Stifte, von denen fünfzehn bis heute von Frauenkonventen bewohnt werden, und 41 Kirchen und mehr als 10.000 Kunstgegenstände. Das Vermögen stammt zum großen Teil aus Kirchenbesitz, der in der Reformationszeit an den Landesherrn fiel. Dass er in Niedersachsen bis heute getrennt vom Staat verwaltet wird, ist bundesweit einmalig.

Schon das weiße Dienstgebäude der Klosterkammer in Hannovers Oststadt mit den klassizistischen Säulen und Giebeln und den langen Fluren mit Gemälden an den Wänden atmet historischen Geist. Im Sommer bezog Hans-Christian Biallas das Präsidentenbüro. Die schwarz-gelbe Landesregierung hat den früheren Pastor und CDU-Landtagsabgeordneten zum Nachfolger von Sigrid Maier-Knapp-Herbst ernannt, die in den Ruhestand ging. Mit seiner Vorgängerin ist sich der 54-Jährige darin einig, was zu tun ist, um den historischen Schatz heute leuchten zu lassen: Öffnung und Transparenz.

Clinch mit Pächtern

Bisher ging die Klosterkammer mit ihren 130 Mitarbeitern ihrem Stiftungszweck eher still und leise nach. Rund 16 Millionen Euro im Jahr steckt sie in die Erhaltung der Klöster, Stifte und Kirchen sowie in soziale und Bildungsprojekte. Mit fünf- bis sechsstelligen Beträgen unterstützt sie ein Zentrum für Familien, ein Projekt gegen Alkoholmissbrauch bei Jugendlichen und die Erweiterung eines Museums. Präsident Biallas will solche Projekte künftig stärker in die Öffentlichkeit tragen.

Die Bewährungsprobe dafür ist ein Konflikt, der zurzeit vor allem in Südniedersachsen schwelt. Hier liegt die Klosterkammer im Clinch mit einer Reihe von Pächtern. Denn die Einrichtung vergibt im großen Stil Erbpachten für Grundstücke. Mit rund 16.000 Verträgen ist sie der größte Verwalter von Erbbaurechten in Deutschland. Doch an mehreren Orten wehren sich Erbpachtnehmer seit 2009 gegen erhöhte Pachtzinsen. Zwar gab ein Gericht der Klosterkammer im Grundsatz Recht. Doch der harsche Protest hat Biallas nachdenklich gemacht.

"Ich bin dabei zu prüfen, was wir verändern können unter der Voraussetzung dessen, was wirtschaftlich zu verantworten ist", kündigte er an. Details könne er noch nicht nennen. Ein Grundsatz sei jedoch, dass sich die Klosterkammer dort, wo sie Geld einnimmt, im Gegenzug öffentlich engagieren will.

Dem Inhalt nach Kirche

Die Wurzeln der Klosterkammer reichen weit zurück. 1542 verfügte Fürstin Eli­sabeth von Calenberg-Göttingen (1510-1558), das enteignete Kirchengut nicht dem Vermögen des Landesherrn einzuverleiben, sondern gesondert im "Allgemeinen Hannoverschen Klosterfonds" zu verwalten. Mit der Auflösung der geistlichen Fürstentümer 1803 und dem Wiener Kongress 1815 kamen weitere Gebäude und Grundstücke hinzu, so dass der hannoversche Prinzregent Georg 1818 die Klosterkammer gründete.

Bis heute wird das immense Stiftungsvermögen der Klosterkammer im Wert von insgesamt rund 680 Millionen Euro weitgehend unabhängig vom Staat verwaltet, obwohl Niedersachsens Ministerium für Wissenschaft und Kultur die Rechtsaufsicht hat. Ihr langjähriger Präsident Axel Freiherr von Campenhausen prägte für diese Konstruktion die Formel: "Der Form nach Staat, dem Inhalt nach Kirche."

Hans-Christian Biallas möchte das geistliche Leben in den Klöstern und Stiften weiter beleben: "Geld in Mauerwerk zu stecken hat nur Sinn, wenn innerhalb der Mauern etwas passiert, was über den Alltag hinausweist." Das Interesse an geistlichen Gemeinschaften sei groß, das zeigten die Besucherzahlen im Kloster Wienhausen bei Celle mit seinen berühmten mittelalterlichen Wandteppichen. Wenn das Kloster zu Stickerei-Kursen einlade, wollten die Gäste auch in den Klostermauern wohnen und am geistlichen Leben teilnehmen.

Die Klosterkammer wolle dafür die nötigen Voraussetzungen schaffen, versichert der Präsident. Er ist überzeugt: "Es gibt in der säkularen Welt eine weitreichende Sehnsucht, Aufklärung darüber zu bekommen, was das Leben trägt und was noch bleibt, wenn alles andere zusammengebrochen ist."

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Michael Grau

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