Picksüßes Hölzl

Ein volksmusikalischer Transfer
Bild
Zahlreiche CDs gehen mittlerweile auf das Konto der Philharmonia Schrammeln, internationale Konzertreisen ebenso. Und nun folgt der Transfer zurück: Unter dem Titel "Seligkeit" interpretiert das Quintett Lieder von Schubert, Brahms und Mahler mit dem typischen Instrumentarium der Schrammel-Zeit.

Die Deutschen haben ja ein seltsames Verhältnis zu ihrer Volksmusik. Vieles von dem, was unter diesem Label vermarktet wird, ist nur eine besonders kitschige Form von Schlager, und der ist selbst schon kitschig genug. Es gibt natürlich Ensembles, die sich auf die Ursprünge der Volksmusik besinnen - sie gelangen nur kaum ans Licht einer breiteren Öffentlichkeit. Ganz anders die Entwicklung in Wien. Dort schwärmten schon Komponisten wie Brahms, Johann Strauss und später Arnold Schönberg für die Volksmusik, die im ausgehenden 19. Jahrhundert vor allem von den Brüdern Schrammel salonfähig gemacht wurden. Und als die Wiener Volksmusik im 20. Jahrhundert auszusterben drohte, bekam sie Hilfe von höchster Stelle: Mitglieder der Wiener Philharmoniker entdeckten ihr Herz für diesen unverwechselbaren Klang.

Zahlreiche CDs gehen mittlerweile auf das Konto der Philharmonia Schrammeln, internationale Konzertreisen ebenso. Und nun folgt der Transfer zurück: Unter dem Titel Seligkeit interpretiert das Quintett Lieder von Schubert, Brahms und Mahler - möglichst originalgetreu, nur eben mit dem typischen Instrumentarium der Schrammel-Zeit. Das sind zwei Geigen, zuständig für die Melodieführung (in der Volksmusik gerne in Terzen gesetzt), dazu die Knöpferl-Harmonika, die eine Verdopplung in tiefere Lagen ermöglicht, und die Kontra-Gitarre als rhythmisch-harmonische Basis. Die Philharmonia Schrammeln haben, um ihr Ausdrucksspektrum zu vergrößern, noch die kleine G-Klari­nette hinzugenommen, das "picksüße Hölzl".

Für Fans der Wiener Volksmusik wäre das vielleicht schon genug, um ein Gefühl der Seligkeit zu erzeugen. Die Philharmonia Schrammeln haben aber noch einen weiteren, großen Trumpf im Ärmel. Das Ensemble hat bereits mit Angelika Kirchschlager zusammengearbeitet, als die Mezzosopranisten noch am Anfang stand. Inzwischen singt sie auf allen großen Opernbühnen der Welt und ist 2007 von der Wiener Staatsoper zur Kammersängerin ernannt worden. An der Zuneigung zu Martin Kubiks Ensemble hat die Karriere nichts geändert, und so leiht "die Kirchschlager" nun auch der aktuellen Schrammeln-CD ihre Ausnahme-Stimme.

Es ist faszinierend und auf eine angenehme Weise irritierend, die Lieder so zu erleben. Mitunter wirken die Arrangements sehr vertraut, aber dann schiebt sich die Knopfharmonika im Verbund mit dem schmachtenden picksüßen Hölzl in den Vordergrund und lässt einen stutzen: Befinden wir uns immer noch bei Schubert? Ja, gewiss! Ein besonderes Schmankerl ist Johannes Brahms' Ungarischer Tanz Nr. 3, der seinerzeit von der E-Musik adaptiert worden ist und nun seine Metamorphose zurück in die Volksmusik erlebt. Dafür gebührt den Künstler ein Blechwimmerl - pardon, sagen wir's hochdeutsch: ein Orden.

Angelika Kirchschläger und Philharmonia Schrammeln - Seligkeit. Werke von Schubert, Mahler und Brahms. Deutsche Grammophon 28947644149.

Ralf Neite

Online Abonnement

Sie erhalten Zugang zur gesamten Website und zur kompletten Monatsausgabe als Web-App.

64,80 €

jährlich

Monatlich kündbar.

Einzelartikel

Sie erhalten Lesezugriff für diesen Artikel.

2,00 €

einmalig

Kein Abo.

Haben Sie bereits ein Online- oder Print-Abo?
* Ihre Kundennummer finden Sie auf Ihrer Rechnung. Ein einmaliges Freischalten reicht aus; Sie erhalten damit zukünftig automatisch Zugang zu allen Artikeln.

Ihre Meinung


Weitere Beiträge zu "Kultur"