Gefährlich

Die neue US-Rechte
Bild
Schweitzer erklärt der Leserin und dem Leser ganz nebenbei und nahezu spielerisch so viel über US-amerikanische Geschichte, dass ihr Buch auch noch als unterhaltsames Nachschlagewerk taugen wird, wenn die Schlacht ums Weiße Haus 2012 längst geschlagen ist.

Der US-Präsidentschaftskandidat der Republikaner 2012 wird kein religiös-konservativer Tea-Party-Favorit werden. Ein paar Monate nach Redaktionsschluss des Buches von Eva Schweitzer ist klar: Der eher moderate Mormone, Ex-Gouverneur und Wall-Street-Kandidat Mitt Romney wird im November gegen Präsident Barack Obama antreten. Warum aber Romney auch im vierten Monat des republikanischen Vorwahlprozesses noch über Themen wie Abtreibung und Verhütung reden muss, die ihn überhaupt nicht interessieren und mit denen er auch keine Wahl gewinnen kann - um das zu verstehen, ist Eva Schweitzers Buch eine große Hilfe.

Monatelang ist die Autorin, von Hause aus Amerikanistin, die als Journalistin in New York lebt, durch die USA gereist, um dem Phänomen der Tea Party auf die Spur zu kommen. Entstanden ist ein ausgesprochen unterhaltsames Portrait einer organisierten Rechten, die längst die Anfänge der Tea Party als fiskal-konservative Anti-Steuerbewegung hinter sich gelassen hat.

Eva Schweitzer macht aus ihrer Abscheu für dieses Sammelbecken rechtskonservativer, evangelikaler und in Teilen rassistischer Politik kein Hehl - aber ihr Buch ist nicht als Pamphlet wertvoll, sondern als detaillierte Beschreibung einer politischen Kraft, deren Einfluss in den vergangenen Jahren von kleinen Demonstrationen bis zum Agenda-Setting im Kongress in Washington angewachsen ist. Abwechselnd im Stil einer Reportage und von historischen Exkursen verfasst, beleuchtet die Amerikanistin Schweitzer Fußvolk wie Financiers, aufstrebende Politiker und ihre Verflechtungen mit den konservativen Medienkonzernen. Erst diese Kombination hat die Tea Party so einflussreich gemacht, und Schweitzer belegt diese verschiedenen Faktoren eindrucksvoll und umfassend.

Organisierte Blockade

Schweitzers Buch kommt aktuell daher, und Teile ihrer Schilderungen sind schon jetzt überholt. Michele Bachmann etwa, die 55-jährige Abgeordnete aus Minnesota, deren Anfänge als Präsidentschaftskandidatin Schweitzer ausführlich beschreibt und zu erklären versucht, war eine der ersten, die aus dem Kandidatenrennen ausscheiden musste, ebenso der texanische Gouverneur Rick Perry.

Das aber entwertet Schweitzers Buch überhaupt nicht. Nicht nur, weil Bachmann - wie vormals etwa Sarah Palin, deren Aufstieg zu politischem Einfluss nach der Wahlniederlage gegen Barack Obama an der Seite des Kandidaten John McCain 2008 erst richtig begann - durchaus nicht abzuschreiben ist. Sondern vor allem, weil die Amerikanistin Schweitzer der Leserin und dem Leser ganz nebenbei und nahezu spielerisch so viel über US-amerikanische Geschichte erklärt, dass ihr Buch auch noch als unterhaltsames Nachschlagewerk taugen wird, wenn dieser Wahlkampf im Oktober und November längst vorbei, die Schlacht ums Weiße Haus 2012 längst geschlagen ist.

Denn selbst wenn Präsident Barack Obama die Wiederwahl schafft: Der politische Einfluss der Tea Party, oder sagen wir besser "der neuen US-amerikanischen Rechten", bleibt. Die von der Tea Party nachhaltig unterwanderten Republikaner haben seit ihrem Wahlsieg bei den Kongresswahlen 2010 gezeigt, wie man ein auf dem Prinzip der "Checks and Balances" aufgebautes politisches System aushebeln und einem vermeintlich linken Präsidenten das Regieren unmöglich machen kann.

Es gibt keinen Grund zur Annahme, dass sich daran etwas ändern sollte. Wer eine solche Blockade orchestriert, wer davon profitiert und welche Interessen im Spiel sind, das zeigt Eva Schweitzers Buch.

Eva C. Schweitzer: Tea Party. Deutscher Taschenbuch Verlag, München 2012, 280 Seiten, Euro 15,40.

Bernd Pickert

Online Abonnement

Sie erhalten Zugang zur gesamten Website und zur kompletten Monatsausgabe als Web-App.

64,80 €

jährlich

Monatlich kündbar.

Einzelartikel

Sie erhalten Lesezugriff für diesen Artikel.

2,00 €

einmalig

Kein Abo.

Haben Sie bereits ein Online- oder Print-Abo?
* Ihre Kundennummer finden Sie auf Ihrer Rechnung. Ein einmaliges Freischalten reicht aus; Sie erhalten damit zukünftig automatisch Zugang zu allen Artikeln.

Ihre Meinung


Weitere Beiträge zu "Politik"