Mann im Hall

Der Gitarrist Duane Eddy
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Bis heute hat Duane Eddy über 100 Millionen Schallplatten und CDs verkauft, was für einen reinen Instrumentalmusiker erstaunlich und gewiss nicht durch seinen Einfluss auf andere Gitarristen erklärlich ist. Es hat mit dem von ihm geprägten Stil zu tun, der sich nun extensiv mit der CD-Box "The Jamie Years" erkunden lässt.

Nicht geheimnisvoll, aber doch bemerkenswert: Etwa alle fünf Jahre erwähnt zeitzeichen den 1938 geborenen US-Gitarristen Duane Eddy - bislang immer im Zusammenhang mit Lee Hazelwood. Erstmals im Kontext der Wiederentdeckung von dessen Songs (zz 11/2002), dann aus Anlass von Hazelwoods letztem Album (zz 3/2007). Denn als Produzent war er zentral an Eddys wesentlichem Beitrag zur Popgeschichte beteiligt, dem "Twang". Ein satter, aus der Tradition der Country- und Westerngitarre herkommender Sound mit vibrierendem Echo und viel Hall, zu dem er das Songleitmotiv auf den Basssaiten spielte. Der Duane-Eddy-Stil, für den ihn Saitenkollege John Fogerty (Leadgitarrist von Creedence Clearwater Revival) zum "allerersten Rock'n'Roll-Gitarrengott" erklärte. Hazelwoods Beitrag zu Eddys Werk bestand neben Ermutigung zum Röhren im Einsatz eines alten gusseisernen Getreidesilos als Echokammer, durch den er eine höhlenartige Anmutung erzielte.

Eddy selbst findet übrigens, sein größtes Verdienst sei es, nie gesungen zu haben. Bis heute verkaufte er über 100 Millionen Schallplatten und CDs, was für einen reinen Instrumentalmusiker erstaunlich und gewiss nicht durch seinen Einfluss auf andere Gitarristen erklärlich ist. Es hat mit dem von ihm geprägten Stil zu tun, der sich nun extensiv mit der CD-Box "The Jamie Years" erkunden lässt. Sie enthält neben einem mit Fotos, Diskografie und Essay ausgestatteten Hardcoverband 148 Aufnahmen, die er 1958 bis 1962 für das Jamie-Label in Philadelphia machte - darunter neben vielen Hits zahlreiche Versionen davon mit Overdubs wie zusätzlichen Saxophonspuren oder "vocal whoops" und Seltenheiten. Während Spätere, wie der magische Virtuose Jimi Hendrix oder der druckvolle Turbo-Blueser Rory Gallagher, eine individuell ausgeprägte Handschrift entwickelten, ist es bei Eddy sozusagen vor allem die Farbe der Tinte, die das Geheimnis zu enthalten scheint. Sehnsuchtsvoll, aber nie spektakulär, voller Andeutungen, doch dabei gezähmt, verhalten.

Markant gerade in dem, was sie nicht explizit ausdrückt, aber so eben Platz für das schafft, was wir Zuhörer dringend unterzubringen haben. Obwohl das aus heutiger Warte manchmal seltsam und gar kirmeskomisch klingt, Stücke, die in den frühen 70ern als Reitturnier-Pausenmusik oder auch in unterfrequentierten Eislaufhallen laufen mochten, berührt der Klang immer noch. Es sind offenbar tiefere Schichten betroffen. Diese "Farbe" verfängt ähnlich wie Romane des vor 100 Jahren verstorbenen Karl May, bei denen wir als Erwachsene zwar längst fremdeln, aber immer noch den Reiz der naiv geradlinigen Wunscherfüllung verspüren. Der Reiz des Duane-Eddy-Sounds sind die Sehnsuchtsräume, die er zugänglich macht. Heiter bis wolkig. Präzise Leerstellen für das Seelenseufzen der Kreatur.

Duane Eddy: Twangin' From Phoenix To L.A. - The Jamie Years. (5 CDs-Box im LP-Format, mit Hardcoverbuch/Bear Family 2012)

Udo Feist

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