Unter einem Dach

Warum Diakonisches Werk und Evangelischer Entwicklungsdienst fusionieren
Grundsteinlegung für das neue Gebäude des fusionierten Werkes in Berlin im Mai 2011. Foto: epd/Andreas Schoelzel
Grundsteinlegung für das neue Gebäude des fusionierten Werkes in Berlin im Mai 2011. Foto: epd/Andreas Schoelzel
Vor fünf Jahren wurde der Zusammenschluss von Diakonischem Werk und Evangelischem Entwicklungsdienst (EED) beschlossen. Im Herbst sollen die Mitarbeiter am neuen Standort Berlin ihre Arbeit aufnehmen. Markus Dröge, Bischof der berlin-brandenburgischen Landeskirche, hat den Prozess als Vorsitzender des EED-Aufsichtsrates begleitet und erläutert die Perspektiven.

"Berlin wir kommen" ist auf großen Bannern am Bauzaun in der Berliner Invalidenstraße/Ecke Caroline-Michaelis-Straße zu lesen, geschmückt mit den Logos von Diakonischem Werk der EKD, Brot für die Welt und dem Evangelischen Entwicklungsdienst. Wo heute Bauleute am Werk sind, werden am 1. Oktober dieses Jahres die ersten der rund 700 Mitarbeitenden des neuen "Evangelischen Werkes für Diakonie und Entwicklung" ihre Arbeit beginnen. Damit platziert die EKD im Herzen von Berlin ihr neues Zentrum für Weltverantwortung. Hier fließt zusammen, was zusammengehört: die diakonische Arbeit in Deutschland und die weltweite Entwicklungsarbeit.

Die Fusion folgt der Erkenntnis, dass in einer globalisierten Welt nationale und internationale Probleme und Risiken nicht mehr getrennt voneinander betrachtet werden können. Allein das Phänomen der Klimaveränderung macht deutlich, dass nationale und internationale Strategien aufeinander abgestimmt werden müssen. Ebenso die Armutsbekämpfung: Unsere nationale Wirtschaftsordnung und unser Lebensstandard haben Einfluss auf das Leben der Ackerbauern in Afrika, auf Verteilungskämpfe und Flüchtlingsströme. Dies spüren wir auch an Flüchtlingen, die nach Europa kommen - und ihren sozialen Problemen bei uns. Wer etwas verändern will, muss diese Zusammenhänge erkennen.

Fallende Mauern

Mit dem neuen Werk entsteht eine kirchliche Fachorganisation, die die sozial- und entwicklungspolitische Arbeit im In- und Ausland durch vernetztes Fachwissen und gemeinsame Kontaktpflege mit der Politik und den Partnern weltweit bündelt.

Für das fusionierte Hilfswerk ist Berlin der ideale Standort. Hier arbeiten die Entscheidungsträger der Sozial- und Entwicklungspolitik auf Bundesebene. Und das neue Haus liegt zentral. Im Umkreis von drei Kilometern befinden sich Bundeskanzleramt, Bundesministerium für Arbeit und Soziales und Bundesministerium für Wirtschaft und Entwicklung. Viele diakonische Einrichtungen, wie die Berliner Stadtmission mit ihren Angeboten für Obdachlose, sind ebenfalls nicht weit. In Berlin sind 20 Prozent der Erwerbstätigen auf Unterstützung angewiesen, jeder siebte ist von Armut bedroht und die Schere zwischen Arm und Reich öffnet sich weiter als in vielen anderen deutschen Städten. Auch das spricht für Berlin als Standort. Gleichzeitig ist es eine international geprägte Stadt, Menschen aus 190 Nationen leben hier. Und es gibt 130 fremdsprachige christliche Gemeinden.

Gemeinsame Lobbyarbeit

In der deutschen Hauptstadt, in der vor gut zwanzig Jahren die Mauer gefallen ist, wird nun zweihundert Meter von der Mauergedenkstätte entfernt darum gerungen werden, dass andere Mauern fallen, dass der Abstand zwischen Arm und Reich in Deutschland, zwischen Entwicklungsländern und entwickelten Ländern, zwischen Europa und den anderen Erdteilen kleiner wird.

Einige konkrete Themen der künftigen Zusammenarbeit seien genannt. Behinderung: Wie wird die Konvention der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen umgesetzt? Wie werden national und international die unterschiedlichen Ursachen und Auswirkungen der Ausgrenzung bekämpft? Armut und Menschenrechte: Wie können Menschenrechte, um deren Durchsetzung es in jedem Projekt der Entwicklungszusammenarbeit geht, in nationale Kampagnen bei uns umgesetzt werden? Und umgekehrt: Wie können nationale Konzepte, Armut zu überwinden, international fruchtbar werden? Eine gemeinsame Lobbyarbeit zur politischen Thematisierung solcher Fragen kann in einem gemeinsamen Werk nachdrücklicher gestaltet werden.

Millionenbeträge sparen

Das neue Werk vereinigt zwei Teilwerke: "Diakonie Deutschland - Evangelischer Bundesverband" nimmt die spezifischen Aufgaben eines Spitzenverbandes der freien Wohlfahrtspflege wahr. "Brot für die Welt – Evangelischer Entwicklungsdienst" ist für die Aufgaben des Entwicklungsdienstes, der humanitären Hilfe in Krisensituationen und der weltweiten zwischenkirchlichen Hilfe zuständig. Die Fusion beider Werke ist eine Investition in die Zukunft. Neben den inhaltlichen Synergien wird die Wirtschaftlichkeit der bisherigen Organisationen gesteigert. Beide Teilwerke werden einen gemeinsamen Verwaltungsbereich haben. Auch Projektgelder werden eingespart, wenn bislang getrennte Programme und Maßnahmen klarer zusammengeführt werden. Doppelförderungen können vermieden, gemeinsame Schulungs- und Trainingsangebote für die Partner besser koordiniert werden. Insgesamt erwarten wir durch die Fusion jährliche Einsparungen in siebenstelliger Höhe.

Am 14. Juni 2012 werden in Berlin die Gremien zum letzten Mal getrennt tagen. Auf der Tagesordnung stehen die Fusionsbeschlüsse, die langfristig unter Mitarbeit aller Gremien und in enger Kooperation mit den Mitgliedskirchen vorbereitet sind. Dreiviertel aller Mitarbeitenden, ein erfreulich hoher Anteil, wird aus Stuttgart und Bonn nach Berlin kommen. Der sechsstöckige Bau entspricht hohen ökologischen Anforderungen. Und: Tagungszentrum, Andachtsraum, Bibliothek, Kantine und Café sind für die Öffentlichkeit zugänglich.

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Markus Dröge

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Foto: picture alliance

Markus Dröge

Markus Dröge (*1954) war von 2009-2019 Bischof der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz und von 2016-2021 Vorsitzender der Evangelischen Mittelostkommission (EMOK). Aktuell ist er Vorstandssprecher der Stiftung Zukunft Berlin.


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