Globale Perspektive

Erhellende Papstgeschichte
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Man liest dieses Buch deshalb mit großem Gewinn, weil es ihm weder um Legitimation noch Delegitimation geht, sondern um Verstehen, Erklärung und Einordnung.

Es entspricht dem gängigen Geschichtsklischee, im Papsttum den Kern eines finsteren Mittelalters zu erblicken. Wenn jedoch ein Mediävist wie Klaus Herbers den aktuellen Stand der Forschung präsentiert und perspektiviert, wirkt das sehr erhellend. Herbers, der an der Universität Erlangen-Nürnberg lehrt, argumentiert kulturgeschichtlich und überwindet jene parteilichen Beweislasten, die einer konfessionalisierten oder politisierten Papstgeschichte vielfach anhafteten. Die unterschiedlichen nationalen Blickwinkel, mit denen man von Deutschland, Frankreich, Italien oder Spanien auf Rom blickte, weitet er zu einer europäischen und dann globalen Perspektive.

Alte Gegensätze werden zugunsten einer Analyse von Beziehungen und Netzwerken verabschiedet. Klug wird abgewogen, wo westlich-europäische Problemzonen und Konfliktlagen das Papsttum prägten, bevor es selbst prägend werden konnte. Konzeptionen und Ideen von der Kompetenz, Reichweite und Sakralität des Amtes werden abgeglichen mit dem, was durchsetzbar war und was Postulat blieb. Eine Geschichte des Werdens einer Institution wird erzählend und quellennah mit einer Annäherung an Personen und ihre Umgebung verbunden. Kurz: Man liest dieses Buch deshalb mit großem Gewinn, weil es ihm weder um Legitimation noch Delegitimation geht, sondern um Verstehen, Erklärung und Einordnung.

Herbers, ausgewiesener Fachmann mit einem Forschungsschwerpunkt für Papstgeschichte, schreibt keinen Papstkrimi, sondern ein betont nüchternes Buch. Das macht es nicht langweilig - ganz im Gegenteil. Es ist im besten Sinne klar, auch für interessierte Nicht-Fachleute gut lesbar und deshalb wertvoll, weil es kenntnisreich einbezieht und ruhig bewertet, was seit der Reformation über das Papsttum gedacht und geschrieben worden ist. Obwohl das nicht eigens betont wird, ist der Band darum ökumenisch.

Es sind im wesentlichen folgende Aspekte, die pointiert herausgearbeitet werden: Das Papsttum war eine sehr wandlungsfähige Institution, deren Erfolg oder Misserfolg von Beginn an von den politischen Mächtekonstellationen abhängig war. In diesem Rahmen musste es seine Interessen und Spielräume definieren - wofür Klaus Herbers ein einleuchtendes Phasenmodell vorlegt. Es waren zunächst nur bedingt die römischen Bischöfe selbst, die ihr Amtsverständnis ausweiteten.

Vielmehr waren es externe Appellationen und Gesuche, von denen her die Institution entwickelt wurde. So mündete ihre Beanspruchung in einen rechtlichen Autoritätsanspruch. Diese Verschiebung gab dem Amt einen europäischen Kontext, ohne dass es von dem familiären und politischen Umfeld Mittelitaliens, seiner (konkurrierenden) Verflechtung mit dem Kaisertum, den Translationsideen des römischen Reiches und der europäischen Nationwerdung hätte unabhängig werden können und wollen. Die Ansprüche des Papsttums schlugen sich in einem klaren Innovationsvorsprung nieder: Die Schriftlichkeit, die Verrechtlichung, die vom antiken Rom hergeleitete Zeremonialität wurden normgebend, konnten dann aber auch ihrerseits gegen das Papsttum gewendet werden. Mit den Ansprüchen wuchsen auch kritische Stimmen und handfeste Bestreitung: Das Papsttum konnte auch gegen sich selbst von Bedeutung sein.

Das Papsttum von den Bedingungen seiner Umwelt her zu lesen und zu beschreiben, ist ein politik-, verfassungs-, rechts-, dogmen- und liturgiegeschichtliches Projekt. Das ist Klaus Herbers überzeugend und allgemeinverständlich gelungen.

Klaus Herbers: Geschichte des Papsttums im Mittelalter. Primus Verlag, Darmstadt 2012, 368 Seiten, Euro 39,90.

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Andreas Holzem

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