Kein Reformbedarf

Kirchliches Arbeitsrecht
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Das Buch dokumentiert eine Tagung die sich mit dem Arbeitsrecht der Kirchen befasste. Und er zielt darauf ab, Reformen abzuweisen.

Bis heute beanspruchen die beiden großen Kirchen Sonderrechte, wenn sie mit ihren Mitarbeitern Arbeitsverträge schließen. Die Kirchen unterliegen nicht dem Betriebsverfassungsgesetz, sondern haben für sich ein eigenes autonomes Arbeitsrecht durchgesetzt. Ihr Sonderstatus verliert jedoch immer mehr an Akzeptanz. Im Januar 2013 wurde er erneut zum Gegenstand berechtigter Kritik. In Köln hatten zwei katholisch getragene Kliniken es abgelehnt, eine junge Frau zu versorgen, die Opfer einer Gewalttat geworden war. Denn die katholische Kirche hatte verboten, die "Pille danach" zu verschreiben. In den Kliniken waren die Ärzte unsicher, was für sie letztlich gelten würde: die Normen des pflichtgemäßen ärztlichen Handelns oder die Verbote ihres kirchlichen Arbeitgebers. Im Nachhinein hat der Kölner Erzbischof Meisner ein wenig eingelenkt und für Notfälle die "Pille danach" erlaubt. Dies bildet einen kleinen Schritt in die richtige Richtung. Aber es ist befremdlich und unangemessen, dass ein Bischof religiös-moralisch über Versorgungsstandards entscheiden darf, die für Patienten und Ärzte medizinisch-fachlich maßgebend sein sollten.

Die katholische Kirche greift überdies in die Privatsphäre ihrer Arbeitnehmer ein. So untersagt sie gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaften, einen Übertritt in die evangelische Kirche, die Wiederverheiratung Geschiedener und vieles anderes. Langsam zeichnet sich zwar ab, dass staatliche Gerichte auch für den kirchlichen Bereich die Arbeitnehmerseite stärken.

Der vorliegende Band zielt jedoch darauf ab, Reformen abzuweisen. Er dokumentiert eine Tagung der vom katholischen Bistum Essen veranstalteten "Essener Gespräche", die sich mit dem Arbeitsrecht der Kirchen befasste.

Der Buchtitel spricht von "neuen Herausforderungen", vor denen das kirchliche Arbeitsrecht stehe. Im Buch selbst wird die Herausforderung durchweg freilich darin gesehen, kritische Einwände beiseite zu schieben und die Sonderrechte der Kirchen zu verteidigen. Der Jurist Gregor Thüsing behandelt die Loyalitätspflichten kirchlicher Arbeitnehmer, konkret also auch die Einschnitte in ihre Privatsphäre und in ihre Selbstbestimmungsrechte. Er bezeichnet in dieser Hinsicht die Europäische Menschenrechtskonvention als "Herausforderung". Denn europäische Vorgaben seien nicht kirchenfreundlich. Seinerseits betont Thüsing das korporative Selbstverwaltungsrecht der Kirchen, das aus dem tradierten deutschen Staatskirchenrecht stammt. Er bleibt dabei, dass die korporativen Rechte der Kirchen vor den persönlichen Grundrechten der Arbeitnehmer den Vorrang besäßen.

Ähnlich votiert der Arbeitsrechtler Jacob Joussen und widerspricht zum Beispiel einem Zugangsrecht von Gewerkschaftsvertretern zu kirchlichen Einrichtungen. Der Staat habe für die Kirchen gegen die Gewerkschaften Schutzpflichten zu erfüllen - so auch der katholische Jurist Josef Isensee. Auf manche neuralgische Punkte geht der Band nur andeutungsweise ein. Evangelische Kirchen verwehren es zahlreichen Mitarbeitern - nämlich den nicht evangelischen oder den nicht christlichen Mitarbeitern -, sich in die kirchlichen Arbeitsrechtlichen Kommissionen wählen zu lassen. Darf dies wirklich so bleiben? Oder ein anderer Problempunkt: Sollen zukünftig zum Beispiel islamische Religionsgemeinschaften die kirchlichen Sonderrechte erben und nutzen dürfen, sobald sie wie Kirchen ebenfalls zu Arbeitgebern werden?

Weiterführende Impulse setzte fast nur der gastgebende Bischof Franz-Josef Overbeck. Er erwähnte ausländische Beispiele, die dazu ermutigen, in kirchlich getragenen Einrichtungen auch Nichtchristen zu beschäftigen. Außerdem deutete er wenigstens an, dass die kirchlichen Träger im deutschen Gesundheits- und Sozialwesen teilweise eine Monopolstellung haben, die mit dem gesellschaftlichen Pluralismus nicht mehr in Einklang zu bringen ist. Leider hat das vorliegende Buch solche Aspekte nicht vertieft. Die aktuellen Herausforderungen dürften anders aussehen, als das Buch es nahelegt. Wichtig ist, dass die Kirchen in ihrem Arbeitsrecht alte Sonderrechte revidieren, die sachlich nicht mehr haltbar sind, und dass sie die Schutz- und Grundrechte ihrer Beschäftigten stärker achten als bisher.

Burkhard Kämper/Hans W. Thönnes (Hg.): Das kirchliche Arbeitsrecht vor neuen Herausforderungen. Aschendorff Verlag, Münster 2012, 220 Seiten, Euro 34,80.

Hartmut Kreß

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