Mönchsgesang mit Federboa

Ein Punktum
Wer meint, dass ein gestandener Protestant kein Fan des Eurovision Songcontest sein kann, weil es in den seichten Liedchen doch fast immer nur um das Eine geht, den sollte das Schlagerfestival in diesem Jahr eines besseren belehren.

Vor einiger Zeit habe ich mich an dieser Stelle ja schon als Fan des Eurovision-Song-Contest (ESC) geoutet. Und wer meint, dass sich das für einen gestandenen Protestanten nicht recht ziemt, weil es in den seichten Liedchen doch fast immer nur um das Eine geht, den sollte das Schlagerfestival in diesem Jahr eines besseren belehren.

Denn im deutschen Vorentscheid treten nicht nur die "Söhne Mannheims" an, die ja immer wieder ihren Glauben besingen, sondern auch "Die Priester". Drei katholische Geistliche, die mit Unterstützung der Opernsängerin Mojca Erdmann den seit dem 8. Jahrhundert überlieferten Hymnus "Ave Maris Stella" in einer Klassik-Pop-Variante zu Gehör bringen - Verzeihung - performen. Auch wenn Latein im Ranking der international genutzten Sprachen mittlerweile nur knapp über Esperanto liegen dürfte - die Mischung aus Mönchschor, Opernarie und Filmmusik ist ohne Frage tauglich für den ESC, und die Priester haben durchaus Chancen auf einen Startplatz in Malmö.

Einen solchen gesichert hat sich übrigens schon die Heilsarmee in der Schweiz, die eine Band in den Vorentscheid schickte und dort siegte. Ob dafür der 94(!)-jährige Bassist, die junge blonde Sängerin, der heilige Geist oder die Mobilmachung aller achttausend eidgenössischen Heilsarmeemitglieder und ihrer Verbündeten ausschlaggebend war, sei dahingestellt. Das Lied jedenfalls ist überraschend rockig, im Text geht es jedoch anders als bei den Priestern mal wieder nur um das Eine, allerdings verpackt in Worten, die so züchtig sind wie die Uniformen der Heilsarmee.

Doch genau wegen dieser droht nun ein Waterloo. Denn die Heilsarmee sei eine Marke, argumentieren die ESC-Veranstalter, und eine solche dürfe auf der Bühne nicht beworben werden. Deshalb solle die Band unter einem anderen Namen auftreten und auf ihre Uniformen verzichten. "Das letzte Aufgebot", lästerten Kritiker und verwiesen auf die Ablehnung der Homosexualität in evangelikalen Kreisen, die so gar nicht zum ESC passe.

Bei Redaktionsschluss war der Streit noch nicht entschieden. Wie die Lösung aussehen könnte? Adamskostüm verbietet sich, und Jesuslatschen sind zu uncool. Vielleicht Fantasie-Uniformen in Pink und Mint? Und was ist eigentlich mit den Kutten der Priester? Wären die in Lack und Leder regelkonform? Oder mit Pailletten besetzt und einer Federboa kombiniert? Die Heilsarmee signalisierte zumindest Kompromissbereitschaft. Wir dürfen hoffen auf ein bisschen Frieden ...

Stephan Kosch

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