Unbekannte Größe

65 Jahre Vereinigte Evangelisch-Lutherische Kirche Deutschlands - VELKD
Die Gliedkirchen der VELKD. Abb.: VELKD
Die Gliedkirchen der VELKD. Abb.:VELKD
Die VELKD mag in der Öffentlichkeit eine unbekannte Größe sein - innerhalb der evangelischen Kirche ist sie eine Institution, die Dinge positiv bewegt. Ein kurzer Überblick anlässlich ihres 65-jährigen Bestehens.

Es gibt bei uns in der Redaktion einen Running Gag: Fehlt in einem zu druckenden Text eine Zeile, wirft garantiert einer die Frage in die Runde, ob wir noch irgendwo die "Vereinigte Evangelisch-Lutherische Kirche Deutschlands" in voller Länge unterbringen können. Das Kürzel für den ein wenig länglichen Namen lautet VELKD.

Scherz beiseite: Die VELKD ist der so genannten breiten Öffentlichkeit eher unbekannt. Selbst Leute, die der Kirche verbunden sind, erfahren oft erst durch Zufall und mit Überraschung von ihrer Existenz. Das unterscheidet die VELKD von der EKD, der Evangelischen Kirche in Deutschland. Wo aber ist da Platz für die VELKD? Neben ihr? In ihr? Handelt es sich um ein Konkurrenzunternehmen?

Um es kurz zu machen: Die VELKD ist der Zusammenschluss von sieben lutherischen Kirchen innerhalb der EKD (gewissermaßen das Gegenstück ist die UEK, die Union Evangelischer Kirchen, ein Zusammenschluss überwiegend unierter Kirchen). Will man erläutern, wie es zur "Vereinigten Kirche", wie die VELKD gern genannt wurde, gekommen ist, lässt sich das nicht ganz so kurz machen: Die evangelischen Kirchen in den deutschen Ländern waren von Anfang an konfessionsgebunden. Es gab lutherische und reformierte Kirchen, welch letztere auf die schweizerischen Reformatoren Calvin und Zwingli zurückgehen. Und dann gab es seit etwa 1800 die unierten Kirchen, in denen sich (in Preußen auf königliche Ordre) Lutheraner und Reformierte zusammenfanden.

Distanz zum NS-Regime

Die Lutheraner fühlten sich in den Zeiten des preußischen Glanzes immer ein wenig von den unierten - insbesondere den preußischen - Kirchen an den Rand gedrängt. Daher gab es immer einmal wieder den Versuch, sich enger zusammenzuschließen, doch lange kam man nicht über einen Zusammenschluss der leitenden Personen aus dem lutherischen Lager hinaus - begründet als Allgemeine Evangelisch-Lutherische Konferenz im Jahre 1867.

In der Zeit des Nationalsozialismus erwies sich die allzu lose Bindung der lutherischen Kirchen untereinander als Schwäche. Zwar gingen auch viele Lutheraner, auch lutherische Landeskirchen, auf Distanz zum Regime, zwar hielten sich viele von ihnen zur Bekennenden Kirche, aber die Barmer Erklärung von 1934 war doch trotz der maßgeblichen Beteiligung der Lutheraner Thomas Breit und Hans Asmussen inhaltlich stark durch den Reformierten Karl Barth geprägt - und unglücklicherweise stieß sie gleich anschließend auf den Widerspruch einiger einflussreicher lutherischer Theologen im "Ansbacher Ratschlag". Doch mit der Dahlemer (1934) und der Augsburger Synode (1935) bezeugten sie dann doch ihre Zugehörigkeit zur Bekennenden Kirche und damit zur Distanz zum nationalsozialistischen Regime.

Keine Einigkeit

Doch als wirklich einig hatten sich die lutherischen Kirchen in der NS-Zeit nicht gezeigt. Nach dem Krieg wollten sie es besser machen. 1948, vor 65 Jahren, schlossen sie sich zur VELKD zusammen, auch, um innerhalb der neu geschaffenen EKD das lutherische Profil nicht untergehen zu lassen. Denn Lutheraner halten in besonderer Weise an ihren Bekenntnisschriften - allen voran das Augsburger Bekenntnis (Confessio Augustana, CA) - fest. Gegen oft erhobene Einwände, dies sei nicht mehr zeitgemäß, führen sie an: Eine Kirche, die sich fortwährend theologisch selbst vergewissert und die ihr Handeln in der Welt theologisch reflektiert, brauche die ausformulierte und verbindliche Beschreibung des gemeinsamen Glaubens. Theologische Arbeit für die Gegenwart und die Zukunft müsse festen Stand haben. Ihm dient auch das Theologische Studienseminar der VELKD in Pullach zur Weiterbildung von Pfarrerinnen und Pfarrern.

Doppelstrukturen vermeiden

Die meisten lutherischen Landeskirchen sind Gliedkirchen der VELKD (und zugleich auch der EKD), nämlich Bayern, Braunschweig, Hannover, die mitteldeutsche Kirche, die "Nordkirche", Sachsen und Schaumburg-Lippe mit zusammen 9,7 Millionen Gemeindegliedern. An der Spitze der VELKD steht der "Leitende Bischof"; gegenwärtig ist dies Gerhard Ulrich, Landesbischof der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Norddeutschland.

Lange hatte die VELKD ihr eigenes Kirchenamt in Hannover und entwickelte in dieser Zeit ihr eigenes Arbeitsprofil. Inzwischen, seit dem Jahre 2007, ist die VELKD an die EKD herangerückt: In einem so genannten Verbindungsmodell wirkt sie (ebenso wie die UEK) eng und unter einem Dach mit der EKD zusammen; der Leiter des Amtes der VELKD, gegenwärtig Friedrich Hauschildt, ist zugleich Vizepräsident des EKD-Kirchenamtes. Sinn und Zweck ist es, Doppelstrukturen zu vermeiden und sich ganz auf die eigenen Arbeitsschwerpunkte konzentrieren zu können.

Die liegen in der theologischen Arbeit, der Seelsorge, der Gestaltung des Gottesdienstes, in Gemeindeaufbau und Ökumene. "Für die Gemeinden liegt unser Augenmerk insbesondere auf der Gestaltung des gottesdienstlichen Lebens", so Bischof Ulrich im Vorwort einer VELKD-Broschüre (siehe unten). Hierzu unterhält die VELKD das Liturgiewissenschaftliche Institut in Leipzig und, das größte der von der VELKD unterhaltenen drei Institute, das Gemeindekolleg im thüringischen Neudietendorf. Letzteres widmet sich der Gemeindeentwicklung und berät und qualifiziert Kirchenvorstände bis hin zu kirchengemeindlicher Projektarbeit.

Starke Arbeit in der Ökkumene

Daneben entwickelt die VELKD Hilfen für die Gemeindearbeit, wie den "Evangelischen Erwachsenenkatechismus" und den Kinderkatechismus "Erzähl mir vom Glauben", eine Einladung zur Beichte und eine moderne Interpretation des Begriffs "Mission". Auch ein "Handbuch Religiöse Gemeinschaften und Weltanschauungen" wird von der VELKD herausgegeben, es bietet Informationen für den Umgang mit Freikirchen, Sekten, Neureligionen.

Eine besondere Stärke der VELKD ist die Arbeit in der Ökumene. Hier kann sie auf gute, im Laufe der Zeit gewachsene Kontakte zurückgreifen. Besonders intensiv sind die Beziehungen zu den lutherischen Kirchen dieser Welt, die wiederum im Lutherischen Weltbund zusammengeschlossen sind. Aber auch darüber hinaus ist die VELKD ein bevorzugter Ansprechpartner in der weltweiten Ökumene, allen voran für die römisch-katholische Kirche. Immer wieder wird einmal gefragt, inwieweit es denn eigentlich noch nötig sei, die VELKD als selbstständige Institution auch mit eigener Synode, die seit 2009 immer am gleichen Ort und zur selben Zeit zur EKD-Synode stattfindet, aufrechtzuerhalten. Die Antwort hängt natürlich nicht nur von der unbestritten guten Arbeit der VELKD ab, auch nicht unbedingt von Sparerträgen oder Effizienzgewinnen, sondern wesentlich vom Zeitgeist, der da sagt, die größere und zentralere (wenn dieser Komparativ hier einmal durchgehen darf) Institution sei immer die leistungsfähigere. Vorläufig aber geht es nur darum, das Verbindungsmodell "weiterzuentwickeln", darin ist man sich in EKD, VELKD und UEK einig. Eines wird in diesem Prozess von Gewicht sein: Die VELKD mag in der Öffentlichkeit eine unbekannte Größe sein, innerhalb der Kirche aber ist sie eine, die vieles positiv bewegt hat und dies bis auf den heutigen Tag tut.

P.S. Nebenbei erwähnt: Die VELKD ist auch ein Träger von zeitzeichen.

Informationen

Nähere Informationen über die VELKD und ihre Arbeit finden Sie im Internet unter VELKD.de und in einer Broschüre, die die VELKD anlässlich ihres 65-jährigen Bestehens herausgebracht hat. Sie ist als pdf-Datei im Internet zugänglich: Unter google "65 Seiten VELKD" eingeben (siehe auch unter "Angezeigt" in zz 6/2013, Seite 70).

Helmut Kremers

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