Anregend

Neue Medientheologie Johann Hinrich Claussen
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Das Schöne an Hasses Essay ist, dass es ihm gelingt, seinen dogmatischen Ansatz mit ganz praktischen Hinweisen und Nutzanwendungen zu verbinden.

Das Christentum ist eine Medienreligion, von Beginn an. Es bildet sich von vornherein an und mit seinen heiligen Schriften. Alle seine weiteren Epochenstufen sind mit medialen Veränderungen verknüpft. Bestes Beispiel dafür sind Reformation und Buchdruck. Dabei ist das Verhältnis des Christentums zu seinem Hauptmedium immer komplex gewesen. So haben Generationen von Theologen die komplizierten Entstehungsprozesse des alt- und neutestamentlichen Kanons zu erhellen versucht. Zudem haben sie versucht, den historisch-exegetischen Zugang zu den Texten mit dem Wahrheitsanspruch des Glaubens zusammenzudenken. Und schließlich mussten sie einsehen, dass sie beim Nachdenken über den Text immer auch die eigenen Konstruktionsleistungen der Leser miteinbeziehen müssen. Denn der Buchstabe des Textes bleibt tot, wenn er im Geist des Lesers nicht lebendig wird. So war die christliche Texttheologie schon zu Zeiten sehr komplex, als das konventionelle Buch das Leitmedium war. Um wie vieles mehr steigert sich diese Komplexität noch, wenn das Buch durch das Internet abgelöst wird?

Der Hamburger Journalist und promovierte Theologe Edgar S. Hasse möchte dies in einem angenehm schlanken Essay beschreiben und begreifen. Dabei schöpft er aus seiner journalistischen Berufserfahrung, wertet Einsichten der empirischen Medien- und Religionssoziologie aus, bleibt aber nicht beim Wahrnehmen stehen, sondern wagt sich an eine eigene theologische Deutung. Sehr erhellend sind seine Ausführungen über die neuen Aufbereitungsformen der biblischen Texte auf privaten Internetseiten, in sozialen Netzwerken und auf professionellen, zum Teil kirchlich mitverantworteten Webangeboten. Hier wird vieles versucht, was noch keine theologische Theorie gefunden hat.

Anknüpfend an die Inkarnationstheologie Karl Rahners und den Offenbarungsbegriff Karl Barths stellt Hasse die These auf, dass Gott sich nicht allein in Jesus Christus offenbart habe, sondern dies auch in der Verschriftlichung seiner Botschaft tue. Und diese Offenbarung der Schrift setze sich fort in ihrer Verbreitung und Rezeption in alten und neuen Medien. Damit ist eine Perspektive eröffnet, die Medialisierung der Botschaft Gottes im Internet nicht nur als deren Inkulturation in die spätsäkulare Gesellschaft zu verstehen, sondern sie in einen eigenen dogmatischen Begriff zu fassen. Von hier aus könne das, was heutzutage im Internet geschehe, auch als gelebte Religion in den Blick genommen werden. Hierüber könnte und sollte man prinzipientheologisch intensiv diskutieren. Ob Hasses These aber einleuchtet, hängt vor allem davon ab, ob sie einen plausiblen und konstruktiven Umgang mit den neuen Medien eröffnet. Und hier steht die theologische Debatte erst ganz am Anfang. Das Schöne an Hasses Essay aber ist, dass es ihm gelingt, seinen dogmatischen Ansatz mit ganz praktischen Hinweisen und Nutzanwendungen zu verbinden. Vor allem für die Religionspädagogik ergeben sich dadurch vielfältige Anregungen.

Edgar S. Hasse: Von der Offenbarung ins Web 2.0. Die Bibel im digitalen Zeitalter - Impulse für eine Medientheologie. Brunnen Verlag, Gießen 2013, 128 Seiten, Euro 14,99.

Johann Hinrich Claussen

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