Keine Sentimentalität!

Ein Lob der Kopenhagener Giraffenverfütterung. Ein Punktum
Foto: privat
In jeden Zoo gehört eine Arena, Zuschauer auf die Ränge, Extraplätze für die Kinder. Zuerst wird die Giraffe hineingetrieben. Dann die Raubkatzen, hungrig. Und dann?

Im Kopenhagener Zoo wurde eine Jung-Giraffe öffentlich durch Bolzenschuss getötet, vor Publikum tranchiert und anschließend von zooeigenen Löwen verspeist. Zunächst gab es einmal den üblichen Aufschrei: Mord an einem Wildtier vor den Augen von Kindern! Konsequenzen wurden gefordert, der Rücktritt des Zoodirektors sei das Mindeste. Wie gesagt: Das Übliche halt.

Dann das Rollback: Eine Mehrheit der Dänen stand plötzlich auf der Seite des Zoos, nicht ohne Verdienst von Journalisten, die via Presse ihre aufgeklärte Coolness bewiesen: Was die Empörten wohl glaubten, was Löwen sonst so fräßen? Überhaupt sei es völlig falsch, Tiere mit menschlicher Empathie zu belegen. Das Übel beginne damit, Zootieren Namen zu geben. Huftiere bekämen ohnehin keine, auch Bären sollen künftig nur Nummern erhalten. Damit würden die Menschen davon abgehalten, Tiere zu vermenschlichen.

Nüchternheit also statt Sentimentalität. Löwen sind keine Veganer, Giraffen schon, und Carnivoren fressen nun mal Veganer. Der Weg der Kopenhagener ist richtig. Im Ansatz. Denn, nun ja, in der freien Wildbahn kommt natürlich kein Wärter vorbei und serviert den Löwen Giraffenteile. In der Serengeti - möge sie niemals sterben - müssen die Löwen (oder, um korrekt zu sein: meistens sind es die Löwinnen) sich schon selbst bemühen. Nur das ist authentisch. Das müsste vermittelt werden. Also: In jeden Zoo gehört eine Arena, Zuschauer auf die Ränge, Extraplätze für die Kinder. Zuerst wird die Giraffe, oder welches Tier es schon sein soll, hineingetrieben. Dann die Raubkatzen, hungrig. Wer sich nicht ausmalen kann, wie es weitergeht, wird es dann live erleben. Das belehrt und verhilft zu einer unsentimentalen Einstellung zur Natur.

Apropos Sentimentalität: Es gibt eine Sorte von Tierschützern, die sich dafür einsetzen, äffischen Primaten die Menschenrechte zuzuerkennen. Nun erfordert es die neue Nüchternheit, frank und frei zuzugeben, dass Menschen auch nur Tiere sind. Also fort mit den Sonderrechten! Jedenfalls was das Naturverhältnis angeht. Dann könnten sich eines Tages endlich wieder Mensch und Raubtier in der Arena ganz unsentimental Aug in Aug gegenüberstehen: ein Teil des römischen Erbes, auf das wir sonst so stolz sind, allerdings bisher kaum positiv gewürdigt. Noch bei Schiller wird der jugendliche Held, der von einer Dame zwecks Mutprobe in die Arena voll "greulicher Katzen" geschickt wird, um dort den von ihr mutwillig fallengelassenen Handschuh zu holen, richtig sauer: "Den Dank, Dame, begehr ich nicht!" - Sentimentalitäten, wie gesagt. Ein nüchterner Blick auf die Natur tut not: Giraffe Nr. 7 ab in die Arena, Löwin Nr. 3 hinzu, und vielleicht noch Leopard Nr. 2 und ein ... nun ja, ein Primat mit irgendeiner Nummer.

Helmut Kremers

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