Religionsunterricht - Wohin?

Über Modelle und Strukturen
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Die Analyse des Herausgebers macht sichtbar, warum der konfessionelle Religionsunterricht durchaus zukunftsfähig ist.

Vor inzwischen mehr als dreißig Jahren veröffentlichte Klaus Wegenast als einer der führenden Vertreter des Faches ein Buch mit diesem Titel. Dass schon damals heftig über die Form des Religionsunterrichts gestritten wurde - vor allem über seine konfessionelle Bindung -, ruft in Erinnerung, dass es hier nicht um neue Fragen, sondern um epochale Herausforderungen geht. Angesichts einer sich immer mehr säkular, und vor allem nicht konfessionell verstehenden Schule bleibt es dauerhaft schwierig, einen konfessionellen Religionsunterricht zu legitimieren.

Den Hintergrund des vorliegenden Bandes stellten Auseinandersetzungen um den Religionsunterricht in Niedersachsen dar. Entsprechend kommen kirchliche und staatliche Stimmen besonders aus diesem Bundesland zu Wort, aber zugleich zielen die dreizehn Beiträge aus dem In- und Ausland auf grundsätzliche Klärungen, indem sie verschiedene Organisationsmodelle für den Religionsunterricht diskutieren. Deutlich wird vor allem die inzwischen realisierte Vielfalt: konfessionell-kooperativer Religionsunterricht, interreligiöse Kooperation in der Fächergruppe, "Religionsunterricht für alle in evangelischer Verantwortung" (Hamburg), LER in Brandenburg sowie Biblischer Geschichtsunterricht ohne konfessionelle Trennung in Bremen, "Religion und Kultur" in Zürich sowie multireligiöser Unterricht in England. Vieles davon klingt gut, erweist sich in der Praxis aber doch als problematisch.

Wie Bernd Schröder zusammenfassend darstellt, sind vier alternative Entwicklungen denkbar: eine Weiterentwicklung der bisherigen Form durch stärkere Ausdifferenzierung; ein Religionsunterricht, der nur noch nach Religionen und also nicht mehr nach Konfessionen gegliedert wird (eher unglücklich bezeichnet wird diese Form hier als "Elementarisierung" - tatsächlich wäre es eine recht abstrakte Form des Religionsunterrichts, der sich nicht mehr auf real existierende Religionsformen bezöge); multireligiöser Unterricht und ein allein vom Staat verantworteter weltanschaulich neutraler Unterricht über Religion und Weltanschauungen.

Die Analyse des Herausgebers macht sichtbar, warum die vielfach als beschwerlich empfundene Form des konfessionellen Religionsunterrichts durchaus zukunftsfähig ist - allerdings unter der Voraussetzung, dass nun deutlicher auch die kooperative und vor allem dialogische Offenheit dieses Unterrichts verdeutlicht wird.

Religionsunterricht - wohin? Die Zeit der Alternativen zum konfessionellen Religionsunterricht, die mit missionarischem Eifer vertreten werden, scheint eher vorbei. Zu deutlich sind auch die Probleme und Belastungen der Alternativen: Wie etwa soll ein "Religionsunterricht für alle" in Hamburg aussehen, wenn die Muslime nun das Recht auf einen eigenen Religionsunterricht haben? Oder was bedeutet es, wenn der Religionsunterricht dort wie auch LER in Brandenburg weithin von Fachfremden erteilt wird? Das stärkste Gewicht besitzt freilich das Argument, dass eine freiheitlich-plurale Demokratie auch einen freiheitlichen, also nicht allein vom Staat verantworteten oder normierten Religionsunterricht verlangt. Deutlicher als dies im vorliegenden Band gesagt wird, ist ein solcher Religionsunterricht in Europa tatsächlich keine Ausnahme, sondern in weiten Teilen Europas anzutreffen, was durch den ausschließlichen Blick auf England und Skandinavien manchmal verdunkelt wird.

Bernd Schröder (Hg.): Religionsunterricht - wohin? Modelle seiner Organisation und didaktischen Struktur. Neukirchener Verlagsgesellschaft, Neukirchen-Vluyn 2014, 194 Seiten, Euro 26,99.

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Friedrich Schweitzer

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Foto: Jörg Winter

Friedrich Schweitzer

Friedrich Schweitzer ist Professor für Praktische Theologie/Religionspädagogik an der Universität Tübingen.


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