Unvermeidbares Desaster

Die Kirchensteuer auf Kapitalerträge bleibt ein Problem
Die Kirchen müssen tapfer hinnehmen, dass die Verfahrensänderung der Kirchensteuer auf Kapitalerträge zu vielen Austritten führt.

"Die Kirchensteuererhebung wird für den Bereich der Kapitalerträge modernisiert und vereinfacht", kann man seit einiger Zeit auf der Website des Bundeszentralamtes für Steuern lesen.

Ist das nicht eine gute Nachricht? Im Prinzip ja, aber leider nicht in der Praxis. Es scheint nämlich so, dass wegen dieser "guten Nachricht" aus den beiden großen Kirchen in diesem Jahr so viele Menschen austreten werden, wie seit über zwanzig Jahren nicht mehr.

Worum geht es? Seit 2009 wird in Deutschland die Steuer auf Kapitalerträge als Quellensteuer erhoben. Das heißt, sie wird gleich an der Quelle, in diesem Fall der Bank, erhoben und dann anonymisiert an die Staatskasse abgeführt. Auf diese Kapitalertragssteuer wird auch Kirchensteuer fällig. Die konnte bisher aber nicht automatisch gleich mit abgezogen werden, da den Banken ja in der Regel die Konfessionszugehörigkeit ihrer Kunden nur bekannt war, wenn diese sie proaktiv der Bank mitteilen, nach dem Motto: "Hallo, ich bin Kirchenmitglied, bitte vergessen Sie nicht, dass auf meine Kapitalerträge auch Kirchensteuer fällig wird!" Ansonsten fällt der Kirchensteueranteil der Kapitalertragssteuer unter den Tisch. Diese proaktive Meldung vergaßen viele Kirchenmitglieder oder unterließen sie bewusst, um Kirchensteuer zu sparen.

Nun wurde ein Verfahren entwickelt, das es den Banken unter Beachtung aller komplizierten datenrechtlichen Vorschriften erlaubt, das Konfessionsmerkmal ihrer Kunden zu erheben, damit sie wissen, bei wem sie Kirchensteuer auf Kapitalerträge abführen müssen und bei wem nicht.

Die Briefe der Banken, die seit Ende vergangenes Jahr an Millionen Bankkunden geschrieben werden, um das Konfessionsmerkmal zu erheben, haben nun offenkundig eine Austrittswelle ausgelöst. Zum Teil liegt das sicher daran, dass manche Bank den Brief gruselig formuliert hat. Die Empfänger verstehen nur Bahnhof und denken: "Huch, die Kirche erhebt jetzt noch eine Zusatzsteuer", auch wenn das ja gar nicht stimmt. Jetzt haben die Medien das Thema entdeckt, und natürlich macht es einen guten Eindruck, wenn Kirchenvertreter öffentlich zugeben: "Wir hätten unsere Mitglieder vorab besser informieren müssen." Das ist jedenfalls viel besser, als Bankenschelte zu betreiben wegen missverständlich formulierter Briefe.

Die Wahrheit ist aber, dass selbst eine noch so nette und ausgefeilte Vorabinformation der Kirchen an alle(!) Mitglieder die Austrittszahlen eher wohl noch in die Höhe getrieben hätte, denn Hunderttausende fühlen sich ihrer Kirche kaum oder gar nicht mehr verbunden. Sie hegen eigentlich schon lange einen Austrittswunsch oder haben fast vergessen, dass sie in der Kirche sind. Ein Brief einer Bank erinnert sie dann daran, dass sie eigentlich schon lange austreten wollten.

Was können die Kirchen tun? Eigentlich gar nichts. Ja, natürlich auf Nachfrage artig informieren - und an wirklich gut gemachten Infomaterialien zur Kirchensteuer auf Kapitalerträge gibt es wahrhaft keinen Mangel. Ansonsten aber müssen sie tapfer hinnehmen, dass die Verfahrensänderung der Kirchensteuer auf Kapitalerträge diese negativen Folgen zeitigt. Negative Folgen, die keine noch so ausgeklügelte kirchliche Mitgliederinformation verhindert, sondern eher noch befeuert hätte. Traurig, aber wahr!

Reinhard Mawick

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