Besetzen und umdrehen

Frauen sollten selbstbewusst maskuline Formen benutzen
Was heute mitunter unter geschlechtergerecht verstanden wird, verhunzt und verdunkelt die deutsche Sprache. Aber es gibt eine Alternative.

Die taz war wohl die erste Publikation, die Berufsbezeichnungen ein ...Innen hinzufügte. Und das war damals eine sinnvolle Provokation. In einer männlich dominierten Gesellschaft musste zum Beispiel daran erinnert werden, dass hinter dem Katheder und auf der Kanzel auch Frauen stehen. Heute wird, um bei den beiden Berufsgruppen zu bleiben, oft von Pfarrerinnen und Pfarrern geschrieben. Diese Doppelung bläht Texte auf und ermüdet die Leser, äh Lesende, erst recht, wenn noch Angehörige anderer Berufsgruppen dazu kommen und in einem Artikel auch Religionszugehörigkeit, Christinnen und Christen, und Parteimitgliedschaft, Christdemokratinnen und Christdemokraten, erwähnt werden.

Evangelische Studierendengemeinde klingt hässlich und führt in die Irre. Die Mitglieder der ESG studieren hoffentlich fleißig, aber sie sind zeitweise auch Schlafende, Faulenzende und Feiernde. Ein anderer Versuch, Weiblein und Männlein zusammenzufassen, ist die Rede von jüdischen Menschen, wenn zum Beispiel Jüdinnen und Juden gemeint sind. Als ob es auch jüdische Tiere und Pflanzen gebe.

Nur für eine Übergangszeit

Und wenn die "Bibel in gerechter Sprache" für Gott die Bezeichnung "Herr" meidet, geht ein wichtiger Aspekt verloren, dass Gott nicht nur lieb ist, sondern an die, die ihm vertrauen, Ansprüche stellt. Für eine Übergangszeit, solange die Gleichberechtigung von Frauen zumindest in manchen Berufen auf sich warten lässt, mögen manche der genannten Beispiele noch angehen. Und natürlich wird die Geschlechtsbezeichnung bei Vergleichen wichtig bleiben, wenn man zum Beispiel darauf hinweisen will, dass es in den evangelischen Landeskirchen bald mehr Pfarrerinnen geben wird als Pfarrer.

Aber sonst sollten Frauen subversiv vorgehen, vorhandene, bisher männlich dominierte und konotierte Begriffe besetzen, benutzen und so umdrehen. Männer, die Männer begehren, nennen sich nicht mehr homophil, sondern "schwul", was früher abwertend benutzt wurde. Die Mitglieder der Religiösen Gemeinschaft der Freunde (in ihr spielten die Freundinnen von Anfang an eine wichtige Rolle) nennen sich Quäker. Und Frauen sollten, nach ihrem Beruf befragt, bald selbstbewusst sagen: Ich bin Professor, ich bin Pfarrer etc. Sie würden so der deutschen Sprache einen Dienst erweisen - und sich selbst.

Claudia Janssen: Identität und Macht

Jürgen Wandel

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