Lucas Cranach, der Zweite

Erstmals wird Lucas Cranach der Jüngere in eigenen Ausstellungen gewürdigt
Blick in die Ausstellung - Lucas Cranach der Jüngere schuf dieses Abendmahl mit Reformatoren. Gleichzeitig bannte er die weltliche Herrschaft auf das Gemälde. Im Vordergrund Fürst Joachim von Anhalt. Foto: Hans-Jürgen Krackher
Blick in die Ausstellung - Lucas Cranach der Jüngere schuf dieses Abendmahl mit Reformatoren. Gleichzeitig bannte er die weltliche Herrschaft auf das Gemälde. Im Vordergrund Fürst Joachim von Anhalt. Foto: Hans-Jürgen Krackher
Vater und Sohn tragen den selben Namen, haben den gleichen Beruf. Doch wenn man von Lucas Cranach spricht, ist meist der Ältere gemeint. Die Landesausstellung "Cranach der Jüngere 2015" in Sachsen-Anhalt erschließt in Dessau, Wörlitz und Wittenberg eine neue Betrachtung. In der Lutherstadt würdigt die Ausstellung "Entdeckung eines Meisters" erstmals das Leben und Werk des Sohnes.

Von ihm ist kein Porträt, kein Selbstbildnis überliefert. Er, dessen große Kunst in der Porträtmalerei liegt, der zu Lebzeiten Reformatoren, Fürsten und Adelige wohlfeil ins Bild gesetzt hat, er bleibt verborgen. Erst durch sein Schaffen wird Lucas Cranach der Jüngere (1515-1586) heute sichtbar: 120 seiner Werke, zusammengetragen aus der ganzen Welt, werden allein in Wittenberg anlässlich seines 500. Geburtstages präsentiert. Noch dazu am authentischen Ort, denn in der kleinen Elbestadt kam am 4. Oktober 1515 Lucas Cranach der Jüngere zur Welt, so überliefert es zumindest sein Epitaph in der Wittenberger Stadtkirche St. Marien. Hier wurde er getauft, hier hat er die Predigten der Reformatoren gehört, hier wurde er vermutlich getraut und beerdigt.

Der Ausstellungsort befindet sich in einem Gebäudeensemble, das ursprünglich als Klostergebäude für Augustinermönche vorgesehen war. 1532 überlässt Kurfürst Johann der Beständige den Südflügel Martin Luther als Wohnhaus. 1586, im Todesjahr Cranachs des Jüngeren, entsteht der Erweiterungsbau für die Universität Wittenberg, der Leucorea. In dem nach dem Kurfürst von Sachsen benannten Augusteum, das später als Predigerseminsar diente, feiert nun Lucas Cranach d. J. Premiere als eigene Künstlerpersönlichkeit. Ausgestellt ist das gesamte Schaffensspektrum aus großformatigen Gemälden, Holzschnitten, Zeichnungen und Bibelillustrationen.

Es ist das große Verdienst der "Stiftung Luthergedenkstätten in Sachsen-Anhalt" und der Kuratoren um Katja Schneider, dass sie das Werk am Ort seiner Entstehung zeigen. Denn als zweiter Sohn wird Lucas in das florierende Unternehmen seines Vaters (1472-1553) hineingeboren. Die vielseitigen Geschäfte laufen gut, gleich neben dem mehrstöckigen, repräsentativen Wohnhaus liegen Vater Cranachs Malerwerkstatt, Weinausschank und Apotheke. Beide Söhne gehen beim Vater in die Lehre und werden zu Gesellen und Meistern ausgebildet. Als 1537 der ältere Bruder Hans in Italien einem Fieber erliegt, schließt Lucas der Jüngere zum Nachfolger in der Werkstatt auf.

Ruf als Epigone

Was aber macht es so schwer, die Gemälde von Vater und Sohn jeweils zuzuordnen? "Lucas Cranachs d. J. Motivation war das Messen am Vater, also so gut zu sein wie dieser, sich nicht von ihm zu trennen oder gar abzugrenzen", erläutert Katja Schneider, die verantwortliche Kuratorin der Ausstellung. Und so gelang es dem Sohn, den Stil des Ateliers perfekt zu übernehmen - was ihm in der Forschung den Ruf als Epigone des Vaters einbrachte. Viele Motive des Älteren werden vom Jüngeren wiederholt, zum Teil aber auch verändert. So wird in Wittenberg deutlich: Die Frage nach der Urheberschaft lässt sich nicht immer beantworten. Es ist eine Frage, die von den Zeitgenossen Cranachs so auch nie gestellt wurde, denn es zählte immer die Arbeit der Werkstatt: Wer "einen Cranach" bestellte, bekam ihn aus der Bilderfabrik. Daran änderte auch das Jahr 1550 nichts, als der Jüngere die Werkstatt in Eigenregie weiterführte. Nach der Schlacht bei Mühlberg 1547 war der Vater seinem ehemaligen Dienstherrn Kurfürst Johann Friedrich in die Augsburger Gefangenschaft gefolgt.

Es bleibt also eine hohe Herausforderung, die Malerpersönlichkeiten innerhalb der gemeinsamen Werkstatt individuell zu erfassen. "Weil Vater und Sohn zusammen gearbeitet haben, gibt es immer einen kleinen Unsicherheitsfaktor in der Bestimmung der Urheberschaft", betont Kuratorin Schneider. Zudem haben die Cranachs ihre Bildern nur selten persönlich signiert. Vor diesem schwierigen Hintergrund gelingt es der Ausstellung trotzdem, ein persönliches Bild von Lucas dem Jüngeren zu deuten und zu vermitteln. Er ist der zeitgenössische Maler reformatorischer Altäre und der Porträtist der Reformatoren, welcher der Reformation einen lebendigen Ausdruck gibt und neue Bildformeln für den protestantischen Glauben entwickelt.

Denn anders als sein Vater, der noch mit dem "alten Glauben" aufwuchs, ist seine religiöse Sozialisation von Anfang an durch die Reformation geprägt. Nachdem der Jüngere während der Ausbildung die Produktion der Lutherporträts studiert hatte, erweiterte er diese Bildform nunmehr eigenständig und setzte neue Maßstäbe, wie sich im Augusteum zeigt. So entwickelt Cranach der Jüngere in den Jahren 1570-1580 überlebensgroße Ganzfigurenporträts von Martin Luther und Philipp Melanchthon. "Diese großflächige Bildform war zu dieser Zeit dem Adel vorbehalten", wie Roland Enke, Kurator und Kunsthistoriker der Luthergedenkstätten, erläutert.

Kommunikator der Reformation

Indem Cranach auch die Reformatoren überlebensgroß malt, stellt er sie auf eine Stufe mit der Herrschaftsrepräsentation. Enke verweist auf eine weitere, von Cranach dem Jüngeren geschaffene, eigene reformatorische Bildform. Gezeigt sind wieder Martin Luther und Philipp Melanchthon, doch diesmal als Halbkörper-Porträts. Die Reformatoren halten aufgeschlagene Bibeln in den Händen. Für den Betrachter lesbar sind Verse aus dem Römerbrief; Luther hält die deutsche Fassung, Melanchthon präsentiert Verse in Latein. "Die Aussage verweist auf zwei reformatorische Grundanliegen: die Bibel in der Landessprache jedem zugänglich zu machen und sie auch an der theologischen Fakultät ins Zentrum von Forschung und Lehre zu rücken. Die Bildnisse vergegenwärtigen die Reformatoren, die zum Zeitpunkt der Entstehung bereits verstorben waren, in ihrer reformatorischen Kerntätigkeit: bei der Verkündigung des Evangeliums in Predigt und Lehre", schreibt die Historikerin Ruth Slenczka im Katalog. Für die Vervielfältigung großformatiger Porträts sorgten riesige Holzschnitte als Druckstöcke, wie Jan Hus, Philipp Melanchthon und Martin Luther in der Ausstellung zeigen. Auffällig ist, dass die Körper von Hus und Melanchthon identisch sind, nur ihre Köpfe unterscheiden sich. Melanchthons recht kleiner Kopf ist nun auf dem üppigen Körper von Hus zu sehen. Die Überarbeitung legt Zeugnis ab vom großen Wert der Holzstöcke, die mehrfach aufgelegt wurden, um eine hohe Produktivität zu gewährleisten.

Mit seinen Epitaphen, Altären, Bibeln und Porträts kommuniziert Cranach der Jüngere nicht nur die Botschaft der Reformation und setzt sie visuell um, er orientiert sich auch am wachsenden Bedarf. Denn erst zu seiner Schaffens-zeit besinnen sich die Fürsten auf die Ausstattung von Schlössern, Kirchen und Rathäusern mit der reformierten Thematik. Wie stark das Bekenntnis der Herrscher ausgeprägt war, zeigen auch die ausgestellten Taufbilder, darunter eines von Johann Friedrich von Sachsen von 1548. Nicht zuletzt dokumentiert Cranach der Jüngere die Virtuosität seines Schaffens in den ausgestellten Prachtbibeln. Die Preziosen auf Pergament belegen den hohen Stand der Buchkunst im 16. Jahrhundert. Mit feinstem Pinselstrich sind Kleidungsdetails, Hände und Gesichter nachgezeichnet, wie das von Auftraggeber Erzbischof Sigismund von Brandenburg. Die Pergamentbibel des Adeligen Nikolaus von Ebeleben enthält darüber hinaus Bildnisse der Familie, der Eheleute und ihrer Kinder. Dazu sind handschriftliche Anmerkungen Philipp Melanchthons enthalten.

Ein weiteres Beispiel der mit theologischen Verweisen durchzogenen Bildersprache ist das Bild "Abendmahl mit Reformatoren", ein Epitaph für Fürst Joachim von Anhalt, entstanden nach 1565 und heute von der St. Agnus-Kirchengemeinde in Köthen nach Wittenberg entliehen: Fürst Joachim kniet im Vordergrund, im Hintergrund ein prunkvoll ausgestatteter Saal. Stellvertretend für die zwölf Jünger setzt Cranach der Jüngere die Wittenberger Reformatoren ein. Zwischen Christus und Luther ist Fürst Georg iii. platziert, eingereiht als Reformator. Auffällig in der Bildmitte ist die bis zur Decke aufragende Säule. Der Mundschenk im Vordergrund des Bildes bietet ein Glas Rotwein aus dem Krug an; er trägt, nur mit der Lupe zu erkennen, einen Siegelring mit geflügelter Schlange, das Symbol der Cranachs. Ob sich Cranach in dessen Gestalt verewigt hat, bleibt fraglich. Doch seine dargestellte Nähe zu den Reformatoren ist als sicherer Ausdruck des eigenen Glaubensbekenntnisses zu verstehen.

Tod und Auferstehung

Am Ende dann Philipp Melanchthon (1497-1560) auf dem Totenbett. Er kann ganz sicher nur dem jüngeren Cranach zugeschrieben werden, das Todesdatum ist mit 1560 dokumentiert und Cranach hat, das zeigt eine Vorzeichnung, das Bild vom Totenbett abgenommen. Er porträtiert den Reformator sanft und friedvoll entschlafen und eben nicht "in die Hölle gefahren", wie es von den "Altgläubigen" vorgesehen war. "Gemalte Bekenntnisse" nennen die Kuratoren diese Bilder.

Weiterhin zeigen eine Auferstehung von 1554, eine Grablegung von 1561 und zahlreiche Porträts Cranach den Jüngeren als einen eigenständigen Maler protestantischer Programmbilder.

Die Ausstellung dokumentiert: Cranach der Jüngere war Ratsherr, Unternehmer, Immobilienbesitzer. Aber darüber hinaus offenbart sich seine Bedeutung für die Reformation. Er schafft eine veränderte Sichtweise, will den Betrachter nicht mehr konfrontieren, vielmehr ihm als Mensch begegnen und wiederfinden.

Weitere Informationen

Die Landesausstellung "Cranach der Jüngere 2015 - Entdeckung eines Meisters" ist bis zum 1. November im Augusteum zu sehen, Collegienstraße 54, 06886 Lutherstadt Wittenberg. Öffnungszeiten: täglich 9:00 bis 18:00. Ergänzt wird die Ausstellung mit einer "Pop up Cranach"-Mitmachausstellung speziell für Kinder, Jugendliche und Familien.

Homepage der Ausstellung

Kathrin Jütte

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Kathrin Jütte

Kathrin Jütte ist Redakteurin der "zeitzeichen". Ihr besonderes Augenmerk gilt den sozial-diakonischen Themen und der Literatur.


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