Wenn das der Franz wüsste

Ein Punktum
Wo kämen wir denn hin, wenn ein Schwuler, sich auf König Salomon berufend, tausend Männer heiraten dürfte? Oder wenn er sich Abraham zum Vorbild nehmen und eine Nebenehe mit dem Diener eingehen würde?

In Irland muss etwas ganz Schreckliches geschehen sein. Jedenfalls entdeckte Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin dort "eine Niederlage der Menschheit" oder der "Menschlichkeit", wie man das italienische Wort umanità auch übersetzen kann, das er benutzte. Und der Gottesmann hat Recht. In dem katholischen Land am Rande Europas wurden Jugendliche Jahrzehnte lang von Priestern missbraucht, und die Bischöfe vertuschten das.

Ach so - Parolin meinte nicht das, sondern die Öffnung der Ehe für Schwule und Lesben. Und man muss den Kardinal doch auch verstehen. Dass in der lutherischen Kirche Schwedens Homo- und Heteropaare gleichgestellt sind, ist noch zu verkraften. Was will man schon von einer Konfession erwarten, an deren Beginn ein Mönch eine Nonne heiratete? Aber wenn sogar Irlands Katholiken "Yes" sagen zur Homoehe und "No" zur Wahlempfehlung der Bischöfe... Dann sagt auch noch Tony Flannery von der "Association of Catholic Priests", der ein Drittel der Geistlichen angehört, der "Irish Times": "Die Zeit eines doktrinären Katholizismus ist vorbei." Und wer weiß, wie sich die Angehörigen des Vatikanstaates bei einer Abstimmung über eine Ehe für alle entscheiden würden?

Letztlich ist alles - wie Verlierer am Wahlabend gerne sagen - nur ein Vermittlungsproblem. Und so forderte Kardinal Walter Kasper im "Corriere della Sera", man müsse "eine neue Sprache finden, um die anthropologischen Fundamente von Mann und Frau in verständlicher Weise zu vermitteln, vor allem für junge Leute". Die Volksabstimmung in Irland war also ein Pisatest, der die mangelnde Kenntnis des römischen Weltkatechismus aufgedeckt hat. Dabei zeigt der doch in verständlicher Weise, dass "homosexuelle Tendenzen ungeordnet" und ihr Ausleben "eine schlimme Abirrung" und "auf keinen Fall zu billigen" sind.

Kasper stellte in verständlicher Weise fest, dass die römisch-katholische Kirche "eine Gleichsetzung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften mit der Ehe nicht akzeptieren" kann. Denn "die Bibel ist da ganz klar". Und Recht hat er. Wo kämen wir denn hin, wenn ein Schwuler, sich auf König Salomon berufend, tausend Männer heiraten dürfte. Oder wenn er sich Abraham zum Vorbild nehmen und eine Nebenehe mit dem Diener eingehen würde...

Auch in der Zölibatsfrage könnte Kardinal Kasper mit seinem "die Bibel ist da ganz klar" in Schwierigkeiten geraten, in "Schwulitäten" wie man in Kaspers Jugend gesagt hätte. Denn das Buch Jesus Sirach, das in der römisch-katholischen Bibel steht, hält fest: "Fehlt die Frau, seufzt der Mann und geht in die Irre." Aber irren ist menschlich, und Kardinäle sind auch nur Menschen.

Wen befremdet, was sie und andere römische Geistliche von sich geben, kann sich ja mit der Vorstellung trösten, dass der Papst ganz anders denkt und ausrufen: "Wenn das der Franz wüsste...!"

Jürgen Wandel

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