Geld, Gates, Gutes

Die Wirtschaft war ein zentrales Thema im wohlhabenden Schwabenland
Kirchentagshocker mit Sparkassenlogo. Foto: epd/ Norbert Neetz
Kirchentagshocker mit Sparkassenlogo. Foto: epd/ Norbert Neetz
Reichtum galt so manchem linken Kirchentagsbesucher früher als anrüchig. Das ist vorbei, man kann ja mit Geld auch viel Gutes tun. Aber ist die Systemfrage damit passé?

Das Logo der Sparkassen ist unübersehbar. Es prangt auf allen Papphockern in der wahrlich nicht kleinen Alten Kelterei in Fellbach. Wobei dies nicht die einzige Form des Sponsorings auf dem Kirchentag war und die Sparkassengruppe nicht der einzige Sponsor. Die Zeiten, in denen beim eher linken Kirchentagsbesucher alles, was Geld hat als anrüchig gelten musste, sind ja zum Glück vorbei. Es kommt doch darauf an, was man damit macht. Und den Kirchentag zu unterstützen, ist lobenswert. Wobei es sich diesmal doch ungewohnt sitzt auf dem sonst so vertrauten Karton, wenn er seine Existenz so offenkundig der Geldwirtschaft verdankt.

Dieses ambivalente Verhältnis zur Wirtschaft und zum Geld, das sich in diesem Moment meldet, fand weiten Raum zu Reflexion auf dem Kirchentag in Stuttgart, wo ja nicht nur besonders hochwertige Automobile gebaut werden, sondern an heißen Frühsommerabenden überraschend viele Sportwagen der Luxusklasse durch die Innenstadt balzen. Natürlich sind wir da auch toleranter geworden, wer gerne Ferrari fahren möchte, soll das tun, wer will schon ein Spaßbremser sein. Aber man kann sein Reichtum auch anders nutzen.

Zum Beispiel eine Stiftung gründen, die Gutes tut. So wie das der Microsoft-Gründer und wohl reichste Mann der Welt Bill Gates und seine Gattin Melinda getan haben. Letztere stand auf der Bühne in der Liederhalle und sprach so motivierend, positiv und charismatisch über Entwicklungspolitik, wie das wohl nur US-AmerikanerInnen können. Wobei es mehr um Entwicklung, weniger um Politik ging. Das sei nicht ihr Arbeitsfeld, antwortete Melinda Gates, als man sie um ein Statement zum Freihandelsabkommen TTIP bat. Aber muss man sich denn mit dem komplexen Welthandel beschäftigen, wenn man Erfolgsgeschichten erzählen kann? Etwa die von der Werbekampagne für das Stillen, mit der die Stillquote in Vietnam verdreifacht wurde. Oder dass es am besten sei, Frauen zu fördern, weil die 90 Prozent von dem, was man in sie investiert, an ihre Familien weitergäben und so zu den "Agentinnen des Wandels" werden. Und dass sie und ihr Gatte an technische Innovationen glaubten, zum Beispiel an verbessertes Saatgut, das den Bauern in trockenen Ländern zu einer reicheren Ernte verhelfen kann.

Das Publikum applaudierte, holte sich später Autogramme, zeigte sich aber auch tolerant und aufgeschlossen gegenüber den dann doch spaßbremsenden Nachfragen von Barbara Unmüßig, Vorstand der Heinrich-Böll-Stiftung. Sie wollte lieber über die Verteilung von Reichtum reden, über Landbesitz und Steuern und auch darüber, ob die dreißig Milliarden US-Dollar, die den Kapitalstock der Gates-Stiftung bilden, eigentlich nach ethischen Kriterien angelegt würden. In Tabak werde nicht investiert, entgegnete Melinda Gates. Alles andere werde von Jahr zu Jahr neu festgelegt.

Kann man den reichsten Menschen der Welt, die sich auf ihre Weise für eine bessere Welt einsetzen, das vorwerfen? Dass sie nicht noch mehr Gutes tun mit ihrem Geld? Oder einfach etwas tun, ohne die Systemfrage zu stellen? Ohne Frage, theoretisch wäre immer mehr möglich beim Kampf gegen die Armut, sei es die existierende (durch Entwicklungshilfe) oder die kommende (durch Klimaschutz). Aber immer nur zu sehen, was alles nicht gelingt und wo das kurzfristige Streben nach wirtschaftlichem Profit eben doch wichtiger ist als Nachhaltigkeit in seiner ganzen Bandbreite, führt zu depressiven Verstimmungen und missachtet die durchaus beachtenswerten Fortschritte.

Etwa im Klimaschutz, womit wir wieder zurückkehren auf den Papphocker mit dem Sparkassenlogo in der Alten Kelterei. Denn dort sorgt Thomas Hale, Politologe von der Universität Oxford, für vorsichtigen Optimismus. Sicher, es gebe die Klimaverhandlungen der Vereinten Nationen, die seit über zwanzig Jahren laufen und so wenig greifbare Ergebnisse liefern. Aber parallel würden sich globale Unternehmen, Regionen und Kommunen zu Bündnissen für den Klimaschutz zusammenschließen. Rio de Janeiro wird klimafreundlicher durch die Einführung eines neuen Bussystems, der Norwegische Staatsfonds zieht sein Geld aus Kohle, Öl und Gas ab, regionale Regierungen, deren gemeinsame Wirtschaftsleistung mit der von Japan vergleichbar ist, wollen ihre Emissionen um 95 Prozent senken.

Beeindruckend. Aber muss man nicht doch die Systemfrage stellen? Ist nicht der Kapitalismus an sich das Problem und das, was Menschen wie das Ehepaar Gates, Unternehmen wie Unilever und die ethisch korrekt investierende Banken machen, nur ein Trostpflästerchen? Hale macht eine bestechende Rechnung auf: "Wir haben noch zehn bis 15 Jahre Zeit, um den Klimawandel beherrschbar zu halten. So lange wird es Kapitalismus geben. Wir müssen also innerhalb des Kapitalismus agieren."

Sterbehilfe auf dem Kirchentag
Kommentar Kirchentag
Messianische Juden auf dem Kirchentag

Stephan Kosch

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