Wer soll das bezahlen?

Aufregung um die Finanzierung des Kirchentags 2019 in Dortmund
Auch in Dresden 2011 beteiligte sich die Kommune mit einem Barzuschuss am Kirchentag. Foto: epd/ Rüdiger Niemz
Auch in Dresden 2011 beteiligte sich die Kommune mit einem Barzuschuss am Kirchentag. Foto: epd/ Rüdiger Niemz
Bislang bekamen Katholiken- und Kirchentage zu ihrer Finanzierung stets auch Geld von der Stadt, in der sie stattfanden. Doch für den Kirchentag 2019 in Dortmund stand dieser Zuschuss bis vor kurzem auf der Kippe. zeitzeichen-Autor Udo Feist erklärt, wie es dazu kam.

Erleichterung in Fulda, im Hauptquartier des Deutschen Evangelischen Kirchentags und Freude bei der Westfälischen Kirche in Bielefeld, der zum Kirchentag einladenden Landeskirche: Es ist noch einmal gut gegangen. Der Dortmunder Rat beschloss Anfang September mit großer Mehrheit, dem Kirchentag, der 2019 in der Ruhrgebietsmetropole stattfinden soll, den geforderten Zuschuss von 2,7 Millionen Euro zu gewähren. Weitere Leistungen im Wert von 720.000 Euro kommen hinzu. Im Sommer sah das noch ganz anders aus. Denn eigentlich sollte der Rat schon Ende Juni abstimmen, aber das wurde verschoben, weil es von SPD und Grünen Bedenken und Nachfragen gab. Die entsprechenden Beschlussvorschläge der Verwaltung einfach nur abnicken, mochten sie nicht.

Die seit Jahrzehnten selbstverständliche Beteiligung der Gastgeberkommune am Kirchentag mit einem Barzuschuss - sogar im atheistischen Dresden 2011 wurde er anstandslos gewährt - stand plötzlich auf der Kippe. Die Landeskirche reagierte zunächst verschnupft. Deren Theologischer Vizepräsident, Albert Henz, befand, "es wäre schon ein fatales Signal des Nichtwillkommenseins, wenn der Rat dagegen votieren würde." Und das, obwohl alle Dortmunder Fraktionen einen Kirchentag grundsätzlich begrüßten. In der Folge gab es aber dann mehrere Treffen mit Lokalpolitikern, um sie für eine positive Entscheidung zu gewinnen. Dass die sich zierten, lag auch mit daran, dass ausgerechnet die Ratskollegen im schwarz-katholischen Münster drei Monate zuvor einen Präzendenzfall geschaffen hatten, indem sie dem Katholikentag 2018 die dafür geforderten 1,2 Millionen Euro verweigerten - und trotzdem findet der dort wie geplant statt. Aus Sicht der Landeskirchen war es da bloß kakophone Begleitmusik, dass unmittelbar vor dem zuerst anberaumten Abstimmungstermin im Juni Kritiker staatlicher Zuschüsse für Kirchengroßveranstaltungen in Dortmund öffentlichkeitswirksam auf die Straße gingen.

Die Stadt machte das kurzfristig um eine bewusst polarisierende Attraktion reicher: Vor der Reinoldikirche in der Fußgängerzone stand eine dreiMeter hohe Moses-Skulptur, karikaturenhaft, den Zeigefinger erhoben und mit grimmigem Blick. Auf einer stilisierten Steintafel stand: "Das 11. Gebot: Du sollst deinen Kirchentag selbst bezahlen." Die Medien hatten ein Spektakel, Passanten debattierten. Manche störten sich daran, dass Moses wie eine Karnevalsfigur aussah, andere stimmten der Forderung auf seiner Tafel vehement zu. Reaktionen auslösen sollte die Aktion auch und Stimmung dagegen machen, dass die Stadt zahlt. Nach Dortmund eingeladen hatte sie die kleine hiesige Initiative "Religionsfrei im Revier", die für eine striktere Trennung von Kirche und Staat eintritt. Mitglieder der Gruppe verteilten an der Moses-Skulptur Flugblätter und suchten das Gespräch.

Ausgedacht hat sich die "11. Gebot"-Aktion der junge Augsburger David Farago, der damit schon in mehreren Städten auftrat. Im Juni war er in Stuttgart, wo gerade der Kirchentag lief. Farago steht der atheistischen Giordano Bruno-Stiftung nahe und lehnt öffentliche Gelder für Kirchenevents ab. Die Idee zu der Moses-Aktion hatte er, als er sich wieder mal geärgert hatte. Er und andere vom "Bund für Geistesfreiheit in Bayern" wollten in Regensburg einen Humanistentag ausrichten und hatten bei der Stadt dafür Unterstützung beantragt. "Einen lausigen Betrag von ein paar Tausend Euro" - den sie nicht bekamen. "Das fuchste mich so, dass wir als Körperschaft den Kirchen zwar rechtlich gleichgestellt sind, aber nicht mal einen so geringen Betrag bekommen, den die Kirchen problemlos durchaus mal als Nachzahlung für ihren Kirchentag kriegen würden - da habe ich gesagt, das Thema muss auf die Straße." Farago begann mit dem Bau seiner Moses-Skulptur.

In Münster war er auch. Leiten ließ sich der Rat dort bei seiner Entscheidung aber vor allem von finanziellen Erwägungen, schließlich sind fast alle Kommunen in Nordrhein-Westfalen hoch verschuldet. Auch Dortmund steht schon seit Jahren knapp vor der Haushaltssicherung, bei der dann die Bezirksregierung bestimmt, welche Leistungen noch sein dürfen und welche nicht. "Da muss man schon genau überlegen, ob eine Beteiligung der Kommune in Höhe von 2,7 Millionen Euro am Kirchentag überhaupt sein muss", sagt Uli Langhorst, Grünen-Fraktionssprecher in Dortmund. Seine Fraktion begrüßte wie alle anderen die Aussicht auf den Kirchentag in der Stadt, nur dessen Forderungen einfach durchwinken, wollte sie nicht.

Ein Anlass dazu war neben der Haushaltslage die Entscheidung in Münster, die in Dortmund aufmerksam verfolgt wurde. "Wir haben eine Mitarbeiterin in der Fraktionsgeschäftsführung, die dort wohnt, und die sagte, verdammt noch mal, gerade in Münster", erzählt er lachend. "Das sehe ich genauso, ausgerechnet das hochkatholische Münster!" Es geht also auch anders, war plötzlich bei vielen der vorherrschende Eindruck. Langhorst fand sogar, da sei ein Rubikon überschritten worden, und mutmaßte, dass es da wohl auch eine gesellschaftliche Verschiebung gebe. Kommentarlos hinnehmen wollten sie die geforderten 2,7 Millionen Euro plus weitere Leistungen jedenfalls nicht mehr. Keine Bedenken hatte nur die CDU.

Annette Kurschus, Präses der Westfälischen Kirche, widersprach im Sommer vehement allen Forderungen, die Kirche sollte den Kirchentag allein bezahlen, und nannte es schade, sollte sich diese Stimmung in der Gesellschaft ausbreiten. "Veranstaltungen wie der Kirchentag nützen der ganzen Gesellschaft", deswegen sei es auch angebracht, sie durch Steuergelder zu unterstützen, sagte sie. Auf Kirchentagen würden Fragen von gesamtgesellschaftlicher Bedeutung offen und generationenübergreifend diskutiert, und davon hätten alle etwas. Auf dieser Linie argumentiert auch der Kirchentag selbst. So heißt es in Papieren, die auch Dortmunds Ratsvertreter bekamen: "Kirchentage laden zu kritischer Diskussion ein. Sie sind ein Forum des kontroversen Austausches." Dessen Gegenstand war der Kirchentag nun aber selbst geworden, und das in einer Weise, die für einige Unruhe sorgte.

Denn nun stand das seit langem praktizierte Finanzierungsmodell auf der Kippe, bei dem die Gastgeberkommune etwa 15 Prozent der Kosten trägt - in Dortmund besagte 2,7 Millionen Euro der erwarteten Gesamtkosten von 19,6 Millionen Euro. Dass es bei der Finanzierung des Kirchentags in Dortmund aktuell ohnehin noch eine Lücke von 1,7 Millionnen Euro gibt, wussten die Ratsvertreter allerdings nicht. Der vom Land erwartete Zuschuss in Höhe von 5,2 Millionnen Euro war zunächst der Verwaltung und dann ihnen nämlich als zugesagt avisiert worden, obwohl die Düsseldorfer Staatskanzlei im Zusammenhang mit der Ratsentscheidung in Münster klipp und klar erklärte hatte, der Kirchentag in Dortmund könne maximal 3,5 Millionnen Euro erwarten.

Irritiert hat dies den Rat der Stadt Dortmund bei seiner Zustimmung aber nicht. Vielmehr verfing, was Kirchentagsfinanzchef Jörg Kopecz zunächst bei einem Treffen mit den Fraktionschefs und dann im Finanzausschuss des Rates darüber vortrug, was die Stadt durch den Kirchentag im Rückfluss an Einnahmen zu erwarten hätte und wie enorm der Imagegewinn und die mediale Aufmerksamkeit dadurch wären. Präses Kurschus hatte diesen Aspekt bereits im Sommer betont. Dortmund könne sich als gute Gastgeberin profilieren, sagte sie damals, und dass das auch ökonomisch nicht zu verachten sei. "Ich habe noch in Stuttgart gedacht, da war es nun ja besonders heiß, da waren sämtliche Biergärten brechend voll, da haben die Lokale die Menschen bewirtet, das hat denen sicher auch wirtschaftlich gut getan."

Dortmunds Rat folgte dieser Argumentation. Der in Münster überschrittene Rubikon bei der staatlichen Mitfinanzierung kirchlicher Großereignisse schrumpfte insofern wieder zum namenlosen Bach bar jeglicher Grundsätzlichkeit, die eine negative Entscheidung in Dortmund aber fraglos bedeutet hätte. Der Rat ließ sich von der zu erwartenden ökonomischen Bedeutung leiten, nicht von der gesellschaftlichen Ironie der Geschichte: Diesen Aspekt betonten ausgerechnet die schärfsten Kritiker des städtischen Zuschusses. So zollte der Linken-Abgeordnete Carsten Klink in der Debatte der Tatsache explizit Respekt, dass die Evangelische Kirche 23 Millionen Menschen repräsentiert. Was er allerdings nicht verstehe: Wenn es ums Bezahlen gehe, werde stets mit dem kleinen mittellosen Trägerverein des Kirchentages in Fulda argumentiert, der gerade mal 22 Mitglieder habe. Doch anders als die hochverschuldeten Kommunen seien die Kirchen schuldenfrei, deren Veranstaltung der Kirchentag nun mal letztlich sei: "Wobei wir betonen, dass es um die Finanzierung geht. Wir sind nicht gegen den Kirchentag, der ist uns herzlich willkommen - aber die Finanzierung in einer Stadt, die überall kürzen muss, und dann 2,7 Millionen, das ist angesichts dieser Haushaltslage aus unserer Sicht nicht wünschenswert."

Nach der Entscheidung im März in Münster hatte Matthias Drobinski in der Süddeutschen Zeitung den Kirchen noch ein neues Nachdenken nahegelegt: "Sie können sich der einst selbstverständlichen Unterstützung der Kommunen nicht mehr sicher sein. Sie werden immer neu begründen müssen, was sie zum Nutzen der Stadt tun wollen. Die schlechteste Übung ist das nicht. Und vielleicht übernehmen ja künftig die - schuldenfreien - Kirchen einen größeren Anteil an der Finanzierung der Treffen. Und zeigen, was die ihnen wert sind." Das ist für den Kirchentag 2019 in Dortmund nun nicht mehr nötig. Dessen Präsident wurde übrigens bereits im Juni auf dem Kirchentag in Stuttgart vorgestellt: Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier. Das Kirchentagspräsidium wird Dortmund als Veranstaltungsort des Kirchentags 2019 allerdings erst im Oktober offiziell benennen. Und nach Münster kommt der Kirchentag vermutlich nie.

Udo Feist

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