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Punktum
Die wachsende Zahl der Hochbetagten verändert auch die Orte des täglichen Konsums.

Der demographische Wandel macht sich unaufhaltsam bemerkbar. Besonders die Zahl der Hochbetagten wächst und wächst. Im Jahr 2013 lebten in Deutschland 4,4 Millionen 80-Jährige und Ältere. Ihre Anzahl steigt bis 2050 auf 9,9 Millionen. Das verändert dramatisch das Leben in den Dörfern und Städten der Republik. Und damit auch die alltäglichen Orte, wo es die Dinge des täglichen Bedarfs gibt. Wie die fünf Scheiben Aufschnitt, den Bund Schnittlauch, die Rosinenschnecke und ein Goldenes Blatt.

Lang lang ist's her, da gab es dazu noch eine freundliche Begrüßung, den kurzen Plausch an der Käsetheke, die Scheibe Fleischwurst zum Probieren und das Schälchen Wasser für den Hund. Aber die sozialen Kontakte fielen der Selbstbedienung und der Billigpreisspirale zum Opfer. Verblieben sind Käsetheken, Backshops und die Lottoannahme als soziale Kontaktstationen. Doch selbst die beste Fachverkäuferin hat keine Nerven für eine Extraportion Zuwendung, wenn hinter dem Senioren-Mitmenschen die gestresste junge Familie in der Schlange quengelt.

Aus dieser Situation könnte das bundesweite Qualitätszeichen „Generationenfreundliches Einkaufen“ helfen. Das Siegel zeichnet Einzelhandelsunternehmen aus, die sich aktiv mit dem demographischen Wandel auseinandersetzen. So weist seit neuestem eine schlichte Bank aus hellem Holz in die Zukunft. „Auf dieser Bank können die Kunden ihren Kaffee trinken oder sich kurz ausruhen“, wird die Kommunikationschefin zitiert. Die Holzbank steht in Mülheim an der Ruhr in (nicht bei) gerade dem Discounter, der in den Sechzigerjahren dem letzten Tante-Emma-Laden endgültig das Licht ausknipste, indem er die Bedienung abschaffte und seine Mittel zum Leben auf Holzpaletten zum Dumpingpreis aus dem Karton verkaufte.

Längst denken die Märkte von heute wieder Richtung Super. Rewe-Chef Alain Caparros sagte unlängst im Gespräch mit dem Spiegel, der Lebensmitteleinzelhandel habe nur eine Chance, wenn die Märkte ein „Ort der Begegnung“ wären.

Ob die Rentner und Senioren in China das gleich wörtlich genommen haben? Sie fielen in die Shanghaier Filiale von IKEA im Viertel Xuhui ein. Das Restaurant bietet mehr Platz als eine Bank, 700 Gäste können sich dort vom Einkaufsbummel erholen. Prima, dachten sich da viele Rentner und schufen sich schnell ihren „Ort der Begegnung“ zwischen Köttbullar und Zimtschnecken. Sie besetzten ganze Tischreihen, brachten eigenes Essen mit. Und manche von ihnen ruhten sich dann stundenlang in den Betten des Möbelhauses aus. Inzwischen weisen große Schilder und Sicherheitspersonal den Rentnerstammtisch in die Schranken.

Von den Senioren war zu hören, sie hätten wegen des geselligen Beisammenseins auch schon bei McDonalds und Kentucky Fried Chicken vorbeigeschaut. „Aber da gab es ja nur junges Gemüse.“

Kathrin Jütte

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Kathrin Jütte

Kathrin Jütte ist Redakteurin der "zeitzeichen". Ihr besonderes Augenmerk gilt den sozial-diakonischen Themen und der Literatur.


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