Essen wie Jesus

Der Tod und das Töten sind ein zwingender Teil der Schöpfung
Foto: privat
Jesus lässt den Vater, der seinen Sohn wiedergefunden hat, nicht nach Gemüsesuppe und Salat rufen. Denn er war kein fleischverachtender Asket.

Unser christlicher Verhaltenskodex, dieses zu tun und jenes zu lassen, basiert weitestgehend auf dem Normgerüst des Neuen Testaments. Aus dem Munde Jesu ist uns eine Vielzahl eindeutiger ethischer Parameter überliefert, denen wir entnehmen können, was Gott von uns erwartet. „Du sollst den Herrn, Deinen Gott, von ganzem Herzen, von ganzer Seele und von ganzem Gemüt lieben. Dieses ist das höchste und größte Gebot. Das andere aber ist dem gleich. Du sollst Deinen Nächsten lieben, wie Dich selbst“. Weniger apodiktisch ist Jesus, wenn es um die Ernährung geht. Aus seinem Mund ist uns kein einziges Speisegebot überliefert. Im Gegenteil stellt er fest: „Was zum Mund hineingeht, dass macht den Menschen nicht unrein; sondern was aus dem Mund herauskommt, dass macht den Menschen unrein.“ Ganz offensichtlich spielt im Normengerüst des Nazareners das Tier und sein Verzehr keine Rolle. Wo aber die Worte schweigen, müssen wir auf die Taten achten. Tatsächlich hat das Verhalten des Gottessohnes auch eine gewisse normative Dimension, getreu dem Grundsatz, was Jesus getan hat, das kann nicht per se falsch sein. Und so begegnet er uns in seinem tagtäglichen Verhalten, noch mehr aber in seinen Gleichnissen keinesfalls als Asket. Er teilt mit Petrus, Jakobus und Johannes das Schicksal des Fischers, als er sie überzeugt, nach einem erfolglosen Tag noch einmal hinauszufahren. „Das taten sie, und sie fingen eine große Menge Fische, dass ihre Netze zu reißen drohten.“ Es ist Jesus, der dieses Wunder vollbringt. Der Sohn Gottes ist also kein abgehobener Asket, kein moralinsaurer Tugendwächter, sondern steht mitten unter den Seinen. Er ist im richtigen Moment Fischer, Weinbauer, Schäfer und Gastwirt. Nirgends macht er das so deutlich wie im Gleichnis vom verlorenen Sohn. Er lässt den beglückten Vater, der seinen Sohn wiedergefunden hat, nicht nach Gemüsesuppe und Salat rufen, sondern nach dem großen Braten. „Bringt das gemästete Kalb und schlachtet‘s; lasst uns essen und fröhlich sein!“ Für den Prediger Jesus war die Freude am gemeinsamen Festmahl ein legitimer Teil der Dramaturgie unseres Lebens. Dies galt auch für ihn selbst, denn der Evangelist Lukas überliefert uns vom Heiligen Abendmahl: „Und als die Stunde kam, da setzte er sich nieder und die Apostel mit ihm. Und er sprach zu ihnen: Mich hat herzlich verlangt, dies Passalamm mit euch zu essen, ehe ich leide.“ Dieser fleischessende Jesus gilt vielen Glaubensbrüdern als Provokation. Man findet deshalb zunehmend in den Weiten des Internets Versuche, durch untergeschobene Quellen den Nazarener zu einer Ikone des frühen Veganismus zu machen. So findet sich auf der Seite www.puramaryam.de ein Auszug aus dem angeblichen „Evangelium des vollkommenen Lebens“.

Als drittes Gebot lautet es hier „Ihr sollt nicht das Fleisch essen noch das Blut eines getöteten Geschöpfes trinken, noch etwas, welches Schaden Eurer Gesundheit oder Euren Sinnen bringt.“ Die Autorin vertritt die Auffassung, diese wichtige Quelle sei durch Machenschaften des Vatikan unterschlagen worden. Sie verweist auch auf das „Friedensevangelium der Essener“ wonach Jesus gesagt haben soll „Aber ich sage Euch, tötet weder Mensch noch Tier, noch die Nahrung, die Eurer Mund aufnimmt.“ Auch dieser Text soll nach Auffassung der Autorin dem Konzil von Nicäa im Jahre 325 zum Opfer gefallen sein. Diese Quellen basieren allerdings durchweg auf angeblichen Entdeckungen von Edmond Bordeaux Székely, die dieser in Vatikanarchiven gemacht haben will. Gelingt es also nicht, die Texte des Evangeliums zu diskreditieren und dadurch den Jesus der Schrift zu einem neuzeitlichen Veganer zu machen, dann müssen andere Denkansätze aufgeboten werden. So versucht man ein Teil der theologischen Debatte, Jesus unter Verweis auf die viel geschmähte Massentierhaltung für den Veganismus zu retten. Lebte Jesus heute, so wird argumentiert, sei er mit Blick auf die Umstände der Fleischmast und in den Schlachthöfen sicher Veganer.

Dabei wird jedoch übersehen, dass wir es bei Jesus nicht mit einem anlassbezogen denkenden homo politicus zu tun haben, sondern mit dem Sohn Gottes. Im gesamten Evangelium gibt es keine einzige Darstellung gelegenheitsinduzierter Positionswechsel. Jesus ist keine Angela Merkel, die ihre politische Position nach Augenblicksimpulsen und auf Basis von Demoskopien wechselt. Er verkündet das Ewige und damit auch das ewig Wahre. Wahr ist, dass der Tod und das Töten zwingender Teil der Schöpfung sind. Den Menschen außerhalb dieses Kreises stellen, hieße, ihn vor der Zeit zu vergöttlichen. So bleibt es also bei dem Schluss, den der heilige Augustinus aus dem Evangelium gezogen hat: „Nichts ist verwerflich, was mit Danksagung genossen wird. Die Speise gibt uns keinen Wert bei Gott und niemand soll uns richten wegen Speise und Trank.“ Guten Appetit!

Literatur

Florian Asche: Tiere essen dürfen - Ethik für Fleischesser. Verlag Neumann-Neudamm, Melsungen 2015, 224 Seiten, Euro 16,95.

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Florian Asche

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