Wichtige Hilfe

Über die bioethische Agenda
Bild
Wer sich in den einschlägigen Debatten orientieren möchte, kann getrost an dieses Buch verwiesen werden.

Wissenschaftlicher Fortschritt wirft moralische Fragen auf. Das gilt vermutlich für keinen Bereich mehr als für die modernen Biowissenschaften und besonders, wenn es um die frühesten Phasen menschlichen Lebens geht. Wo ethische Orientierung notwendig ist, kann auch eine wertplurale Gesellschaft nicht auf die religiösen Sinnstiftungspotenziale verzichten. Die Stimme der Kirchen ist in den einschlägigen Debatten zwar nur eine, aber gleichermaßen gewichtig wie unersetzlich.

Der von Norbert Arnold im Auftrag der Konrad-Adenauer-Stiftung herausgegebene Sammelband stellt römisch-katholische Perspektiven auf eine Bandbreite bioethischer Herausforderungen vor, vom moralischen Status des Embryos über die Stammzellforschung bis zu verschiedenen Methoden vorgeburtlicher Diagnostik, und bringt sie zugleich ins Gespräch mit anderen Disziplinen.

Nach einer Einleitung des Herausgebers werden zunächst grundlegende Aspekte der "bioethischen Agenda" thematisiert und Grundlagen der interdisziplinären ethischen Reflexion diskutiert. Vielleicht wenig überraschend, aber prägnant und zugleich gut verständlich dargestellt stehen dabei von Seiten der Moraltheologie der unbedingte Lebensschutz und der ihn fundierende Würdegedanke argumentativ im Mittelpunkt. Hier wie in den folgenden drei Abschnitten, die auf einzelne Handlungsfelder fokussieren, werden den ethischen Positionierungen Erwägungen vor allem aus dem Bereich der Lebens- und Rechtswissenschaften zur Seite und gegenüber gestellt. Wegen seiner weiterführenden und zugleich grundlegenden Ausrichtung ist der fünfte Abschnitt besonders bemerkenswert, werden hier doch Fragen der Wissenschaftsethik und der Ethik der Politikberatung noch einmal in prinzipieller Weise mit moraltheologischen Überlegungen verknüpft. Allenfalls eine noch ausgeprägtere theologisch-selbstkritische, auch Fragen der Methodik stärker fokussierende Reflexion im Hinblick auf die Kraft eigener zentraler Argumente gerade in einem zunehmend säkular geprägten Debattenkontext wäre an dieser Stelle eine gute Ergänzung gewesen.

Der Band versammelt nicht nur Beiträge hochrangiger Moraltheologen und ausgewiesener Experten aus weiteren relevanten Disziplinen zu einem Überblick über die Argumente und Positionen in aktuell relevanten ethischen Fragen am Beginn menschlichen Lebens, sondern stellt auf Grund seiner Lesbarkeit, die noch einmal durch die jedem Abschnitt vorangestellten sehr konzisen Zusammenfassungen des Herausgebers verbessert wird, eine wichtige Hilfe für alle dar, die sich kurz, aber prägnant über die bioethische Diskussionslage zwischen römisch-katholischer Kirche und Lebenswissenschaften informieren möchten.

Dies gilt gerade auch für die evangelische Seite, die im einen oder anderen inhaltlichen Punkt anders votieren könnte, sowie für philosophische Ethiker, die sich ernsthaft mit der kirchlichen Positionierung auseinandersetzen möchten.

Dass am Ende des Bandes die Erkenntnis bleibt, dass zwischen Moraltheologie und Biowissenschaften auch in Zukunft nicht der Kompromiss, sondern die Kontroverse, nicht der Konsens, sondern der Dissens den Normalfall darstellen dürfte, ist keineswegs als resignativ zu verstehen.

Vielmehr hält diese Feststellung die Einsicht offen, dass der Dialog zwischen Wissenschaft und Kirche, zu dem dieser Band beiträgt, von beiden Seiten als eine echte Diskussion zu führen ist, in der ernsthaft um entscheidende bioethische Fragen gerungen wird. Wer sich in den einschlägigen Debatten orientieren oder sich selbst - in welchen Kontexten auch immer - daran unter Berücksichtigung kirchlicher Argumentationen beteiligen möchte, kann getrost an dieses Buch verwiesen werden.

Norbert Arnold: Biowissenschaften und Lebensschutz.

Herder Verlag, Freiburg 2015, 304 Seiten, Euro 24,99.

Jens Ried

Online Abonnement

Sie erhalten Zugang zur gesamten Website und zur kompletten Monatsausgabe als Web-App.

64,80 €

jährlich

Monatlich kündbar.

Einzelartikel

Sie erhalten Lesezugriff für diesen Artikel.

2,00 €

einmalig

Kein Abo.

Haben Sie bereits ein Online- oder Print-Abo?
* Ihre Kundennummer finden Sie auf Ihrer Rechnung. Ein einmaliges Freischalten reicht aus; Sie erhalten damit zukünftig automatisch Zugang zu allen Artikeln.

Ihre Meinung


Weitere Rezensionen