pro und contra

Können Christen mit Muslimen beten?
Foto: epd
Die wachsende Zahl von Muslimen in Deutschland stellt auch Fragen an das Miteinander der Religionen und das interreligiöse Gebet. Für den Pfarrer und zeitzeichen-Redakteur Jürgen Wandel stellt das gemeinsame Gebet von Christen und Muslimen kein grundsätzliches Problem dar. Hans-Jürgen Abromeit, Bischof im Sprengel Mecklenburg und Pommern, sieht hingegen fundamentale Hindernisse für ein gemeinsames Gebet.

Das Bekenntnis trennt

Ein Beten auf dem kleinsten gemeinsamen Nenner ist nicht authentisch

Christologie und Trinität trennen Juden, Muslime und Christen voneinander. Sie machen den Kern und das Profil des Christentums aus und die Gebete von Christen authentisch.

Manchmal ist ein gemeinsames Gebet von Vertretern verschiedener Glaubensgemeinschaften unabweisbar. Ich erinnere mich an eine Situation Ende des Jahres 1980, Anfang 1981 in Jerusalem. Auf dem Höhepunkt der 444 Tage währenden Geiselnahme in Teheran wurden wir als Evangelische Gemeinde deutscher Sprache gefragt, ob wir bei einem auf Initiative der muslimischen Vertreter der Stadt geplanten, gemeinsamen Fürbittengebet für die noch 52 im Iran festgehaltenen Geisel mitwirken würden. Wir fühlten uns verpflichtet, mit Juden, Christen und Muslimen für das Ende der Geiselnahme zu beten. Dieses Gebet wurde von den jeweiligen Vertretern ihrer Religion in Treue zu ihrer religiösen Tradition gehalten. Wortbeiträge und Gebete ergänzten einander. Besonders eindrücklich war mir die religiös begründete Absage der muslimischen Seite an jede Art der Geiselnahme. Die konkrete Fürbitte für die gefangenen Geiseln und das Gebet für die Erhaltung ihres Lebens war eine Solidaritätsveranstaltung und eine gewaltige Demonstration für das unveräußerliche Lebensrecht.

In politischen Krisensituationen und auch bei ökologischen Katastrophen geht ein wichtiges Zeichen für Solidarität und gemeinsame Verantwortung für die Menschheit von solchen gemeinsamen Gebeten und Gottesdiensten aus. Es ist ein Zeichen nach innen und außen. Nach innen signalisiert ein solches gemeinsames Gebet: Wir nehmen die Anliegen der anderen Religion als gesellschaftliche Partner und Verbündete im Einsatz für das Leben und die Rechtsstaatlichkeit wahr. Nach außen zeigen Angehörige verschiedener Religionen, dass sie gemeinsam einstehen für Frieden und Gerechtigkeit. Solche Art von Querschnittssolidarität ist wichtig. Aber die Beteiligten wissen, dass sie nicht für alle Christen, Juden oder Muslime reden.

Heute gibt es eine Vielzahl weiterer Anlässe, im Rahmen der Zivilgesellschaft zu gemeinsamen Gebeten zusammenzukommen. Bei einer zunehmend religiös pluralisierten Gesellschaft stellt sich die Frage bei Schulgottesdiensten, wie neben evangelischen und katholischen Geistlichen etwa auch muslimische Vertreter beteiligt werden können. In Veranstaltungen des christlich-islamischen Dialogs wird der Wunsch nach gemeinsamen religiösen Gebeten wach. Dabei geht man in der Regel von der Feststellung aus: „Das Gemeinsame ist wichtiger als das Trennende.“ In der Tat ist es der Glaube an Gott, den Schöpfer, der eint. Aber es ist der Glaube an Jesus Christus, den Sohn Gottes und Erlöser, der trennt. Ist Jesus Christus für die Christen nicht so wichtig wie die Gemeinschaft mit Muslimen?

Wir stoßen an dieser Stelle auf eine erhebliche Spannung, die zwar der liberale Christenmensch, der den christlichen Glauben auf einen allgemeinen Schöpfungsglauben reduziert hat, nicht so empfindet, die aber allen, denen das Bekenntnis zu Jesus Christus wichtig ist, erhebliche Probleme bereitet. Die erste These der Barmer Theologischen Erklärung stellt pointiert das Wort Jesu im Johannesevangelium voran: „Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben; niemand kommt zum Vater denn durch mich.“ (Joh 14,6) Voraussetzung gemeinsamen Betens soll aber in der Regel sein, dass der Glaube der Beter und Beterinnen aus den beteiligten Religionen als gleichrangig empfunden wird. Das Besondere schon des Betens Jesu wie dann der christlichen Kirche von Anfang an ist ein Beten im Geist der Gotteskindschaft. Jesus hat gebetet: „Abba, mein Vater!“ (Mk 14,36) und die frühe Kirche hat sich ebenso an Gott gewandt: „Abba, lieber Vater!“ (Röm 8,15; Gal 4,6). Aus diesem in Jesus Christus und seinem Werk begründeten Vertrauen beten Christinnen und Christen zu Gott.

Auf diesem Vertrauen ruht die Verheißung, erhört zu werden. Schon Jesus lehrte seine Jünger: „Alles, was ihr bittet im Gebet, wenn ihr glaubt, so werdet ihr‘s empfangen“ (Matthäus 21,22). Die Verheißung erhörungsgewissen Gebetes beruht auf der Übereinstimmung mit dem in Jesus Christus offenbarten Glauben. Die Kraft des Gebetes liegt in seiner Authentizität. Diese Echtheit hat christliches Beten, wenn es „durch Jesus Christus im Heiligen Geist“ geschieht. Auch wenn die Trinität nicht ausdrücklich zur Sprache kommt, ist sie in christlichem Beten immer mitgedacht. Deswegen schließt die Tradition christlichen Psalmengebetes an die Rezitation des alttestamentlichen Psalms das „Ehre sei dem Vater und dem Sohn und dem Heiligen Geist wie es war im Anfang jetzt und immerdar und von Ewigkeit zu Ewigkeit“ an. Daraus muss man nicht schließen, dass Christen zu einem anderen Gott als Muslime beten. Im Gegenteil – in vielerlei Hinsicht beruht der christliche Glaube auf gemeinsamen Voraussetzungen. Deswegen stehen die Anhänger der monotheistischen Religionen dem christlichen Glauben viel näher als zum Beispiel Hindus und Buddhisten. Aber in entscheidender Hinsicht ist die Gotteserkenntnis auch bei den anderen monotheistischen Religionen anders. Christologie und Trinität trennen Juden, Muslime und Christen voneinander. Sie sind jedoch kein Glaubensluxus, auf den man auch verzichten könnte, sondern sie machen den Kern und das Profil des Christentums aus.

Ein gemeinsames Beten, das von Christen erwartete, auf das Bekenntnis zu Jesus Christus oder die Anbetung der Dreieinigkeit zu verzichten, ist deswegen nicht möglich. Ein Beten auf dem kleinsten gemeinsamen Nenner ist kein authentisches Gebet. Wenn aber jeder Beter das sagen darf, was ihm wichtig ist, dann kann man Unterschiede auch miteinander aushalten. Wer betet, muss sein Gebet verantworten. Vielleicht kann man die Gebete von Menschen anderer Religionen teilweise, gegebenenfalls ganz, mit vollziehen. Solches Beten ist dann kein im strengen Sinn interreligiöses Gebet, sondern ein multireligiöses Gebet, ein Beten entsprechend der eigenen religiösen Tradition in der Gegenwart der anderen. Im Respekt vor der Würde des anderen kann ich Unterschiede im Glauben aushalten, weil wir uns gegenseitig Authentizität abverlangen.

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Hans-Jürgen Abromeit

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