Lernwerkstatt

Inklusion in der Familie
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Dieses Buch für Eltern, Kinder und alle Wahlverwandten zeigt, wie man ein Kind mit Down-Syndrom stärken und fördern kann.

Von Goedela heißt es, dass sie es nicht leiden kann, wenn sie bei wichtigen Sachen gestört und zur Eile ermahnt wird. Sie hat ihren eigenen Kopf. Einmal ist sie plötzlich aus dem Hof verschwunden, die Eltern laufen in Sorge durchs Dorf und finden sie bei einer Dorfbewohnerin, der sie gerade einen Besuch abstattet. Auf dem Titelbild des Buches schaut Goedela ihr Gegenüber entschlossen, fast herausfordernd an, und durchkreuzt hier bereits das Klischee vom allzeit niedlichen Kind mit Downsyndrom. Im Untertitel heißt es: „Ein Mädchen mit Downsyndrom will lernen.“ So lernen die Leser sie in kurzen, wunderbar anschaulichen Vorlesegeschichten dann auch kennen. Als eine, die Lieder auf der Flöte spielt, Geschichten auf unverwechselbare Weise nacherzählt, bei der Hausarbeit hilft – in ihrem Tempo.

Dieses Buch für Eltern, Kinder und alle Wahlverwandten zeigt, wie man im ganz normalen Alltag ein Kind stärken und fördern kann, indem seine Fragen gehört und seinen Lernfähigkeiten vertraut wird: Es zeigt, wie Inklusion in der Familie möglich ist. Barbara Schilling, Pädagogin, Geschichtenerzählerin, Mutter von drei erwachsenen Kindern, macht vor, wie oft aus Alltagssituationen heraus, beim Kartoffelschälen, Autofahren oder beim Betrachten der Sterne, nebenbei Lernsituationen entstehen können. Oder wie aus einem Scheitern des Kindes in der Schule durch einen veränderten Zugang dauerhafte Freude an einem Lernfeld entstehen kann. Seit Goedela, wie sie im Buch heißt, eine Schulgeschichte fürs häusliche Puppenspiel in einzelne Szenen zerlegte, verschiedene Rollen spielte und das Nacherzählen lernte, liebt sie dramatische Geschichten.

Das Buch steckt voller Ideen und Überraschungen, die ernst und leicht mit anschaulichen Zeichnungen und Bildern an die Leser weitergegeben werden. Es lädt die Leser in die Schillingsche Lernwerkstatt ein, die hier gezeigt bekommen, dass sie sich die Förderung ihrer Kinder getrost zutrauen dürfen. Die praktischen Voraussetzungen sind zumeist einfach und werden genau beschrieben: Buchstaben zeichnen, die innen hohl sind; Fotos zusammensuchen und die Namen der Verwandten in Großbuchstaben drüberschreiben; mit Bauklötzen den Vorhof des Jerusalemer Tempels als Kulisse einer biblischen Geschichte bauen; einen rhythmusstarken Vierzeiler zum Geburtstagsfest üben. Die ersten Impulse und Fragen gehen fast immer von den Kindern aus. Es ist das Verdienst der Autorin, in eindringlichen Erzählstücken und im liebevollen Gestalten der Materialien die Atmosphäre spürbar werden zu lassen, in der die Wünsche und Ansprüche der Kinder, aber auch erlittene Zurückweisungen von Erwachsenen gehört werden und in gemeinsame Aktivitäten und Erlebnisse münden können.

Das Buch ermutigt nicht nur Eltern von Kindern mit dem Downsyndrom, dem inklusiven Lernen – hier besonders des oft vernachlässigten kognitiven Bereichs – Raum zu geben, sondern ebenso auch andere Eltern. Immer ist spürbar, dass eine gelingende Interaktion zwischen den Beteiligten das Fundament des Lernens ist und das Vertrauen ineinander wachsen lässt.

Hedwig Gafga

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