Das „Konfi-3“-Modell – hier 2012 im württembergischen Deckenpfronn – bezieht Eltern mit ein. Es werden Themen wie Taufe und Abendmahl behandelt. Abkehr vom „Wissensunterricht“ fast flächendeckend. Foto: epd/ Gerhard Bäuerle
Das „Konfi-3“-Modell – hier 2012 im württembergischen Deckenpfronn – bezieht Eltern mit ein. Es werden Themen wie Taufe und Abendmahl behandelt. Abkehr vom „Wissensunterricht“ fast flächendeckend. Foto: epd/ Gerhard Bäuerle
Die Pubertät ist ein schwieriges Alter für den Konfirmandenunterricht. Deshalb haben Religionspädagogen schon vor einigen Jahrzehnten Modelle entwickelt, die zur Entzerrung beitragen und so nachhaltiger wirken. Pastor Sönke von Stemm vom Religionspädagogischen Institut (RPI) in Loccum stellt sie vor.

Die Herausforderung an aktuelle kirchliche Bildungsarbeit steht klar vor Augen: „Kinder lernen erst von der Kindergärtnerin, die Schnürsenkel zu binden, und bei uns in der Grundschule erst singen, beten und biblische Geschichten!“ Mit diesen Worten einer Lehrerin ist keine Elternschelte verbunden. Ganz im Gegenteil: im gleichen Atemzug wird festgestellt, wie sehr sowohl die Kinder als auch deren Eltern Interesse an eben diesen biblischen Geschichten haben. Und dennoch benennen diese Worte, was wissenschaftlich-soziologische Untersuchungen – wie die jüngste Kirchenmitgliedschaftsbefragung – belegen: Eltern und Familien sind immer weniger in der Lage, ihren Kindern eine christlich-religiöse Sozialisation zu bieten. Selbst wenn sie es wollen und zu Kirche und Christentum positiv eingestellt sind, fehlt ihnen das Handwerkszeug. Kinder und Eltern brauchen gleichermaßen religiöse Orientierung und eine Beheimatung in christlichen Abläufen, Glaubensschätzen und Festen.

Da diese Erkenntnis nicht neu ist, gibt es schon seit den Siebzigerjahren eine Konfirmationsvorbereitung, die in zwei Phasen arbeitet. Die erste Phase beginnt mit Kindern der dritten oder vierten Klasse, in der Schweiz mancherorts schon in der zweiten. Die zweite Phase führt dann direkt zur Konfirmation im Alter von 14 Jahren, in der Schweiz: 16 Jahre. Derzeit stellen immer mehr Kirchengemeinden auf dieses zweiphasige Modell von Konfirmandenarbeit um und investieren hierfür Arbeitszeit und Energie. Namen dafür gibt es viele: „Konfi 3“ vor allem in Württemberg und Baden oder „Hoyaer Modell“ mit Hinweis auf den Ursprung dieses Modells in Hoya in der Mitte Niedersachsens, aber auch „KU-4“ oder „Mini-Konfer“.

Für diese zweiphasige Konfirmandenarbeit gibt es verschiedene Modelle. Derzeit werden in der EKD zwei Grundmodelle der zweiphasigen Konfirmandenarbeit praktiziert. Bereits seit den Siebzigerjahren gibt es das Hoyaer Modell in verschiedenen Formen. Die gesamte Vorbereitungszeit auf die Konfirmation ist nach diesem Modell auf zwei Lebensphasen verteilt. In der ersten, meist zehnmonatigen Phase mit Grundschulkindern steht die Beheimatung in der Kirchengemeinde im Vordergrund. Inhalte sind die biblischen Geschichten aus Altem und Neuem Testament einschließlich Taufe und Abendmahl, aber auch Aktionen rund um das Gemeindeleben, von der Kirchenerkundung bis hin zum Besuch bei Mitarbeiterkreisen. Üblich sind wöchentlich einstündige Treffen in Gruppen von sechs bis acht Kindern, begleitet von Eltern und regelmäßige Nachmittage in der Gesamtgruppe, begleitet von Hauptamtlichen und Eltern. Gemeinden mit zweiphasiger Konfirmandenarbeit feiern zudem vermehrt Familiengottesdienste.

In der zweiten Phase kurz vor der Konfirmation werden zentrale Themen wie Abendmahl und Gebote aus der Perspektive von Jugendlichen wiederholt und durch die klassischen Elemente der Hauptkonfirmandenarbeit ergänzt: Gottesdienste selbst gestalten, Verantwortung, Leben als Christ et cetera. Zwischen den beiden Phasen gibt es teilweise verpflichtende Angebote wie gemeinsame Konfi-Nachmittage, Konfi-Cafés oder Exkursionen.

Jede Gemeinde entscheidet selbst

Von dem Hoyaer Modell unterscheidet sich das Modell, das seit 16 Jahren in der württembergischen Landeskirche durchgeführt wird („Konfi-3“). Hier wird nur ein relativ kleiner Teil von etwa drei bis vier Monaten der Konfirmandenzeit auf Klasse 3 verteilt und in sogenannten Themenmodulen angeboten. Im Mittelpunkt stehen die Themen Taufe, Abendmahl, das Kirchenjahr und seine Feste sowie mit allen Sinnen erlebte Zugänge zur Kirche. Jedes Themenmodul umfasst vier Nachmittage in Kleingruppen und mündet immer in einen gemeinsam gestalteten Familiengottesdienst zum behandelten Thema. Jede Gemeinde entscheidet selbst, wie viele Module sie bearbeitet.

Gemeinsam ist beiden Modellen, dass in der ersten Phase Eltern oder Ehrenamtliche mitarbeiten. Die Hauptamtlichen begleiten die Gruppen auf Freizeiten, an besonderen Aktionstagen und zu den Gottesdiensten. Zudem bereiten die Hauptamtlichen die Eltern in eigenen Treffen auf die Durchführung der Gruppenarbeiten vor. In der zweiten Phase während des achten Schuljahres übernehmen dann die Hauptamtlichen gemeinsam mit ehrenamtlichen Jugendlichen die gesamte Begleitung der Konfirmandinnen und Konfirmanden.

Zweiphasige Konfirmandenarbeit ist also ein niederschwelliges Angebot von religiöser und kirchlicher Bildung für Kinder und gleichzeitig auch für Erwachsene. Das Interesse von Grundschulkindern und deren Eltern an religiöser Bildung trifft sich mit der Einsicht der Kirchengemeinden, gerade für Kinder und junge Familien Möglichkeiten schaffen zu müssen, sich mit den Inhalten und Ausdrucksformen des christlichen Glaubens (neu) auseinanderzusetzen.

„Es besteht kein Zweifel daran, dass die nachhaltigsten Einflüsse in der religiösen Sozialisation bis heute von der Familie ausgehen. Das Verhältnis der Eltern zu Kirche und Glaube findet sich im Großen und Ganzen ähnlich bei ihren Kindern wieder“, sagt dazu der Stuttgarter Schuldekan Martin Hinderer. Er stellt fest: „In großen Teilen unserer Gesellschaft ist Religion zur Privatsache geworden. Eltern sind sich unsicher bei Formen und Möglichkeiten der christlichen Erziehung. Sie vermitteln zwar ihren Kindern Erfahrungen wie Vertrauen und das Gefühl, angenommen zu sein, aber bringen dies nicht unbedingt in Verbindung mit christlicher Erziehung.“ Wenn aber der Einfluss der Familie auf die religiöse Sozialisation von so großer Bedeutung ist, dann, so Hinderer weiter, liege in der (religiösen) Unterstützung und Begleitung der Familien „eine wichtige Aufgabe für die Kirche“. Hinderer: „Bei KU-3 beziehungsweise KU-4 werden Eltern unterstützt und befähigt, selbst sprachfähig zu werden für religiöse Themen, um dann auch die eigenen Kinder zu begleiten oder gar in Kleingruppen zu unterrichten“.

Die Erfahrungen der vergangenen Jahrzehnte zeigen, dass die zweiphasige Konfirmandenarbeit als Teil der Konfirmationsvorbereitung gut akzeptiert wird. Das Modell motiviert darüber hinaus Eltern, sich für ihre Kinder und für die Kirchengemeinde zu engagieren.

Aber verharrt nicht trotz dieser verheißungsvollen Modelle die Mehrheit der Kirchengemeinden trotzdem bei dem schulisch anmutenden klassischen Konfirmandenunterricht? Nein, die Konfirmandenarbeit in Deutschland ist sehr bunt geworden. Die Abkehr vom Wissensunterricht ist nahezu flächendeckend vollzogen, denn den Verantwortlichen ist klar geworden, dass Wissen nur angeeignet werden kann, wenn es auch Lebenssituationen gibt, mit denen es verbunden werden kann.

Daher setzen viele Gemeinden derzeit auch noch auf andere Wege, Jugendlichen in der Konfirmationsvorbereitung Möglichkeiten einer religiösen Beheimatung zu verschaffen: Hoch im Kurs stehen längere Freizeiten („Konfi-Camps“) und das gemeinsame Entdecken von jugendlicher Spiritualität in unterschiedlichen Formen. Als Argument gegen die zweiphasige Konfirmandenarbeit wird dabei häufig die Mehrbelastung für die Hauptamtlichen angeführt, die sich besonders in der Umstellungsphase bemerkbar macht. Und tatsächlich: Zweiphasige Konfirmandenarbeit ist eine Investition. Meist muss ein eigenes Konzept für die Arbeit mit den Kindern und den Eltern entwickelt, Zeiträume müssen geschaffen werden, und während das neue Modell beginnt, muss ja gleichzeitig noch das herkömmliche Modell der Konfirmationsvorbereitung für mindestens drei Jahre angeboten werden, damit nicht ganze Konfirmandenjahrgänge unerfasst bleiben.

Gute Erfahrungen haben daher Gemeinden gemacht, die sich nicht allein auf den Weg in eine zweiphasige Konfirmandenarbeit machen, sondern über Gemeindegrenzen hinweg zusammenarbeiten. Denn so können durch eine Elternvorbereitung in regionalen Gruppen Hauptamtliche entlastet werden. In der Kleinstadt Sarstedt bei Hildesheim bereitet beispielsweise eine Hauptamtliche alle zwei Wochen mit 18 bis 25 Eltern aus fünf Gemeinden die Arbeit mit den Kindergruppen in den Gemeinden vor und nach (insgesamt etwa 15 Kleingruppen). Und auch die dafür notwendige gemeinsame Curriculums- und Zeitplanung beschreiben viele als entlastend und letztendlich sogar bereichernd, da sie aus der Vereinzelung der hauptamtlichen Arbeit hinausführt. Es ist lohnend, abgrenzbare Aufgabenbereiche in der Konfirmandenarbeit mehrerer Gemeinden auf verschiedene Hauptamtliche zu verteilen, wie die Organisation von Elternbriefen, Anmeldungen, Freizeithäusern – Projekte für die Zeit zwischen den Hauptphasen – Schulung von Ehrenamtlichen et cetera.

Ein zentrales Argument für die zweiphasige Konfirmandenarbeit, aus Sicht von Hauptamtlichen und von Eltern, liegt in der Möglichkeit, Kindern in mehreren Lebensphasen ein kirchliches Bildungsangebot machen zu können. So ermöglicht die Konfirmationsvorbereitung schon mit Grundschulkindern eine Phase der Vertrauensbildung und der religiösen wie sozialen Beheimatung in einer Kirchengemeinde. Wer mit Grundschulkindern begonnen hat, regelmäßig zu singen oder zu beten, kann nach drei Jahren dort wieder gut anknüpfen. Und gerade für die pubertierenden Jugendlichen ist es eine große Erleichterung, wenn sie sich in schon vertrauten Räumen und Gruppen bewegen. Sie kommen anders miteinander ins Gespräch und bringen ihre kritischen Fragen anders ein, als wenn sie sich erst ganz neu kennenlernen müssen.

Wie entscheidend es sein kann, Kinder in verschiedenen Lebensphasen zu begleiten, lässt sich am Beispiel des Themas „Taufe“ aufzeigen. Kinder und später die Jugendlichen sollen in der Konfirmandenarbeit auf dem Weg zum eigenen Glauben begleitet werden. In der Begleitung von Grundschulkindern bedeutet es, dass die Kinder, die getauft sind, mit dem Geschenk der Taufe vertraut gemacht werden. Kinder, die noch nicht getauft sind, werden zur Taufe eingeladen. Hier wird Glaube mit allen Sinnen erfahrbar. Die Symbole der Taufe können als alltägliche Bilder für die Kinder zu Sinnbildern für die Nähe Gottes in unserer Welt werden. Ihr Entdeckerwille, die Fragen nach Wie und Warum, werden beantwortet. Im Blick auf die erhöhten schulischen Anforderungen in Klasse 3 und 4 ist es für die Kinder zudem zentral, im Blick auf die Taufe zu erfahren: Bei Gott bist du wichtig, geliebt so, wie du bist, unabhängig von und vor aller Leistung.

Gemeinden werden verändert

In der Begleitung der Jugendlichen vor der Konfirmation (KU-8) spielt das Thema „Taufe“ dann bei der Entwicklung des Selbstwerts eine Rolle. Die Fragen der Jugendlichen: „Wer bin ich?“, „Wie bin ich in der Gruppe anerkannt?“, „Was bin ich bereit, dafür zu tun?“ stehen im Mittelpunkt. Aber auch das zweifelnde Hinterfragen der Taufzusage „Ich bin alle Zeit bei Euch“ gehört zu den Herausforderungen in diesem Alter: „Wo war Gott als ...?“, „Ist Gottes Nähe spürbar, auch wenn ...?“. Wo bei Kindern im Grundschulalter das Vertrauen in Gottes heilsame Nähe geweckt wurde, können sich diese im Jugendalter auch kritischen Fragen stellen.

Schließlich verändert die zweiphasige Konfirmandenarbeit in den Gemeinden die Gottesdienstpraxis und das Gottesdiensterlebnis. Durch die häufige Beteiligung von Kindern und Familien im Gottesdienst klingen diese Gemeinden anders: Kinderstimmen im Gottesdienst gehören für diese Gemeinden zur Selbstverständlichkeit.

Nicht zu unterschätzen sind zudem die Möglichkeiten, über die zweiphasige Konfirmandenarbeit einer Verknüpfung von Konfirmationsvorbereitung und der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen leichter den Boden zu bereiten. So können die Kinder in der ersten Phase der Konfirmandenarbeit bereits zu weiteren Angeboten der Kirchengemeinde eingeladen werden, wie Kindergottesdienst oder Jungschar beziehungsweise Kindergruppen. Und es bietet sich an, die Zeit zwischen den beiden Phasen der Konfirmandenarbeit durch Angebote der Jugendarbeit zu nutzen. Teamschulungen finden dann schon weit vor der Konfirmation statt und bieten Jugendlichen die Chance, sich in den Kindergruppen zu engagieren. Jugendliche, die gerade konfirmiert wurden, erhalten ebenfalls die Möglichkeit, in der ersten Phase der Konfirmandenarbeit mitzuarbeiten. So erleben Kinder und Haupt-Konfirmanden während ihrer gesamten Konfirmandenzeit Jugendliche, die sich für andere einsetzen und mit Kindern und Jugendlichen Gemeinde gestalten. Ein schöner, nicht unwichtiger Nebeneffekt.

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Sönke Stemm

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