Gute Nacht

Über guten und schlechten Schlaf
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Wer sich Fietzes Buch zu Gemüte führt, wird viel über sich selbst erfahren, und begreifen, wie wichtig Schlaf für unser Wohlbefinden ist.

Es geht ein Zucken durch den Körper, manchmal so stark, dass es einen aufweckt. „Schlafstart“ nennen Mediziner dieses äußere Zeichen des Einschlafens. Und auch rollende Augenbewegungen weisen darauf hin, dass der Mensch sogleich entschlummert; ansonsten ist der Übergang fließend, für den Mensch nicht wahrnehmbar. Es sind Phänomene wie diese, die der Schlafmediziner Ingo Fietze in seinem Buch Über guten und schlechten Schlaf beschreibt. Phänomene, die ein jeder kennt, nur deren Entschlüsslung sich nicht unmittelbar erschließt. Wie das Zähneknirschen oder die innere Uhr. Oft wacht man auf, kurz bevor der Wecker klingelt.

Britische Schlafforscher haben in Studien gezeigt, dass das Wissen um das bevorstehende Wecken zu messbaren physiologischen Veränderungen führt, in diesem Fall durch das Wachhormon Cortisol. Doch verlassen kann sich der Mensch laut Ingo Fietze nicht auf dieses körpereigene Weckersignal. Fietze, der an der Berliner Charité das Interdisziplinäre Schlafmedizinische Zentrum leitet, beschäftigt sich mit dem Thema Schlaf in allen seinen Facetten: von der Schlaflosigkeit bei den Griechen und Römern bis zum wohl längsten Schlaf der Großen Braunen Fledermaus mit 20 Stunden, von natürlichen Einschlafhilfen bis zur Narkolepsie, im Volksmund Schlummersucht genannt. Interessant auch, dass bis ins 16. Jahrhundert nackt geschlafen wurde, nur mit Kopfbedeckung. Danach kam die Nachtwäsche in Mode – bis heute nicht klar, wozu es diese braucht, außer im Winter zu wärmen. Es gibt wenige wissenschaftliche Erkenntnisse zu Betten und Schlafkomfort.

Wer sich Fietzes Buch über den Schlaf zu Gemüte führt, wird zum einen viel über sich selbst erfahren, seinen eigenen Ruherhythmus besser verstehen, und er wird begreifen, wie wichtig Schlaf für unser Wohlbefinden ist. Bestenfalls wird der Lesende seinem Schlaf gegenüber aufmerksamer und widmet ihm die Bedeutung, die dieser verdient.

Um herauszustreichen, wie wichtig die nächtliche Erholung für Körper und Geist ist, führt der Berliner Schlafmediziner aus, was passiert, wenn man nicht gut schlafen kann. Zunächst: Wer als Kind schon nicht gut schläft, hat schlechte Karten, was das Erwachsenenalter angeht. Und: Schlafstörungen, so genannte Insomnien, treten unabhängig von Beruf, Alter und Herkunft auf. Drei Arten, die am häufigsten vorkommen, benennt der Schlafexperte: die Einschlaf- und die Durchschlafstörung und das frühmorgendliche Erwachen. Sie werden im Buch mit Beispielen aus seiner Praxis belegt, die mal skurril, mal absonderlich daherkommen, aber immer den Leidensdruck der Betroffenen zeigen. Anderen Defekten wie der Schlafsucht, Narkolepsie, Störungen des Schlaf-Wach-Rhythmus oder des Traumschlafes geht der Mediziner nach. Und er muss eingestehen: Manches ist noch heute schwer zu erklären.

Wortgewandt und flüssig berichtet Fietze aus seiner täglichen Praxis mit Schlafwandlern und mit Menschen mit „sozialem Jetlag“. Gerade Schicht- und Nachtarbeiter weisen oft ein chronisches Schlafdefizit auf. Damit aber belässt er es nicht. Hier fordert der Schlafmediziner Ruheräume, damit man sich in den Pausen entspannen oder die Zeit für einen Kurzschlaf nutzen kann. Eine weitere Möglichkeit wäre „die Optimierung der Schichtdienstpläne“. Auch Diskussionen über Nachtflugverbote und über die Fragen nach dem Schulbeginn werden thematisiert, ungemein lebenspraktisch und meinungsstark. Professor Fietze kennt das Gefühl einer schlaflosen Nacht, hat sich Wissen angelesen, mit der praktischen Erfahrung der vergangenen 25 Jahre auch angeeignet. Er ist ein Verfechter des gesunden Schlafens. Denn: „Ausgeschlafen sein, bedeutet: stark sein.“

Kathrin Jütte

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Kathrin Jütte

Kathrin Jütte ist Redakteurin der "zeitzeichen". Ihr besonderes Augenmerk gilt den sozial-diakonischen Themen und der Literatur.


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