Hammerharte Legende

Die Sonderausstellungen zum Reformationsjubiläum werden geschichtsfälschend vermarktet
Foto: privat
„3xhammer“ ignoriert mit dem hammerschwingenden Luther ganz bewusst den Reformkatholiken Luther und besitzt damit einen nicht zu verkennenden antiökumenischen Akzent

Die drei Nationalen Sonderausstellungen zum Reformationsjubiläum 2017 sollen gemeinsam mit einem bemerkenswerten Slogan vermarktet werden: „3xhammer“. Genaueres Hinsehen lohnt in diesem Fall. Die Kampagne wirbt mit einem der populärsten Lutherbilder des 19. Jahrhunderts, mit Ferdinand Pauwels Ölbild „Martin Luthers Thesenanschlag“ von 1872. Da steht er vor uns, der deutsche Held, mit dem Hammer in der Hand. Für die Autoren von „3xhammer“ spielt es keine Rolle, dass Historiker und Kirchenhistoriker seit über fünfzig Jahren den Fall des angeblichen Thesenanschlags akribisch untersucht haben mit dem Ergebnis, dass Luther seine 95 Thesen am 31. Oktober 1517 mit höchster Wahrscheinlichkeit nicht angeschlagen hat. Gewiss, die Thesen lagen an diesem Tag fertig vor. Luther legte sie als Beilage in Briefe an seine kirchlichen Oberen, in denen er diese bat, den Ablasshandel zu beenden. In dem Begleittext zu „3xhammer“ ist dazu zu lesen: „Am 31. Oktober 2017 jährt sich zum 500. Mal die Veröffentlichung der 95 Thesen“. Dass eine Beilage zu einem Brief eine Veröffentlichung bedeutet, dürfte eine neue Erkenntnis sein.

Die Autoren dieses Textes kümmern sich nicht um solche kleinlichen Einwände. Sie sprechen im nächsten Satz deshalb ohne weiteres vom „Thesenanschlag“. Verwundert reibt man sich als Leser die Augen. Denn beide Versionen verkennen Luthers Haltung und seine Absichten. Genauer: Wer von der „Veröffentlichung“ der Thesen am 31. Oktober spricht und anschließend mit dem „Thesenanschlag“ argumentiert, ignoriert ganz bewusst den „historischen Luther“ vom Herbst des Jahres 1517, den um das Wohl seiner Kirche besorgten, aber gegenüber seiner Kirche durchaus loyalen Reformkatholiken Luther, den geschäftserfahrenen Wittenberger Professor, der zunächst ganz bewusst die Öffentlichkeit nicht suchte, weil ihm bewusst war, dass er mit seinem Anliegen nur dann Erfolg haben würde, wenn er es diskret vortrug; heute würde man sagen: wenn er den Dienstweg einhielt.

In der Werbung für die drei nationalen Sonderausstellungen wird mit dem Slogan „3xhammer“ somit ein Lutherklischee verwendet, von dem man glaubte, es sei längst überwunden. Es geht aber nicht darum, dass es Wissenschaftler ärgert, wenn ihre Erkenntnisse von Werbefachleuten verfälscht werden, weil diese mit plakativen, zugespitzten Formulierungen Aufmerksamkeit erhaschen wollen. Wichtiger ist: „3xhammer“ ignoriert mit dem hammerschwingenden Luther ganz bewusst den Reformkatholiken Luther vom Herbst 1517 und besitzt damit einen nicht zu verkennenden antiökumenischen Akzent.

Seit Beginn der Lutherdekade verkündet die EKD, im Gegensatz zu früheren Lutherjubiläen solle das bevorstehende Reformationsjubiläum im Jahre 2017 in einem internationalen Rahmen und in einem ökumenischen Geist gefeiert werden. Durch den Werbeslogan „3xhammer“ wird aber diese Absicht konterkariert. Mit „3xhammer“ wird vielmehr vor allem die Erinnerung an Luther als den deutschen Nationalhelden heraufbeschworen, das heißt die Erinnerung an den „Mann von Erz, Feuergeist und Felsenherz“, so die Worte des Stuttgarter Prälaten Karl Gerok aus seinem „Jubelgruß zum Lutherfest“ 1883. „Deutsches Volk, in stolzem Ton, nenn ihn deinen besten Sohn,“ dichtete Gerok weiter, „einen deutscher‘n sahst du nicht, seit man Thuiskon‘s Sprache spricht.“ Die Reichsgründung 1871 wurde von den deutschen Protestanten als die Vollendung des Werks verstanden, das Luther seinerzeit begonnen hatte. Bis in die Zeit nach 1945 galt der Reformator als deutscher Nationalheld.

Statt diese Legende zu hinterfragen, wird sie benützt, um für die drei nationalen Sonderausstellungen Reklame zu machen. Die Einwände der Wissenschaftler in den Beiräten wurden mit dem Argument abgelehnt, die Entscheidung sei bereits gefallen. Resigniert erinnerten sich einige daran, dass sie zu Beginn der Lutherdekade schon einmal überrumpelt worden waren, und zwar mit dem Luther-Logo, das nicht den asketisch-skrupulös-frommen Luther des Jahres 1517 zeigt, sondern, einem Cranachbild aus dem Jahre 1528 folgend, den eher rundlichen, selbstzufriedenen Kirchenvater Luther, unterlegt mit den Nationalfarben schwarz-rot-gold. „3xhammer“ steht somit in einer Linie mit der nationalen Rückbindung der gesamten Lutherkampagne. Bleibt nur zu hoffen, dass die internationalen Touristen, die man 2017 für Reisen ins Lutherland - nach Wittenberg, Eisenach und Eisleben - gewinnen will, durch solchen nationalen Provinzialismus nicht allzu sehr irritiert werden.

Hartmut Lehmann ist Historiker und lehrte bis zu seinem Ruhestand unter anderen an den Universitäten Göttingen und Kiel. Zudem war er Direktor am Max-Planck-Institut für Geschichte in Göttingen. 2012 erschien sein Buch „Luthergedächtnis 1817 bis 2017“ bei Vandenhoeck und Ruprecht.

Hartmut Lehmann

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