Crème de la Crème

Musik zum Jubiläum 1617
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Die Musik von damals kann auch heute Herz und Seelen wärmen und nähren.

Am 27. März 1617 baten die Theologen der Wittenberger Universität ihren Landesherrn, aus Anlass des hundertjährigen Jubiläums von Luthers 95 Thesen Jubiläumsfeierlichkeiten abhalten zu dürfen. Der sächsische Kurfürst Johann Georg I. stimmte sofort zu und setzte sich an die Spitze der Bewegung, indem er eine landesweite Jubiläumsfeier anordnete. Die Gelegenheit, sich als guter Protestant zu präsentieren, kam ihm gerade recht, denn der Pfälzer Kurfürst Friedrich drohte Johann Georg den Rang als Führer des protestantischen Lagers abzulaufen. Der Grund: Die Sachsen suchten immer wieder den Schulterschluss mit dem katholischen Kaiser, um politische Interessen durchzusetzen.

Bei den Feierlichkeiten am Dresdner Hof vom 31. Oktober bis zum 2. November 1617 konnte sich Johann Georg endlich als Schutzherr der Reformation und des Luthertums präsentieren. Die liturgische Aufsicht über das Fest hatte Oberhofprediger Hoë von Hoënegg, der ein Jahr später die Predigten dieser Tage veröffentlichte. Glücklicherweise äußert sich von Hoënegg im Vorwort dieses Bandes auch ausführlich zur Musik, die damals erklang. Sie stammt von Heinrich Schütz, damals Organist und Musikdirektor am Dresdner Hof, und Michael Praetorius, eigentlich Hofkapellmeister in Wolfenbüttel, aber in dieser Zeit häufiger unterstützend auch in Dresden tätig. Ohne Frage die musikalische Crème de la Crème der damaligen Zeit, aber das Beste war den Sachsen für diesen Anlass gerade gut genug.

Auch die heutige künstlerische Realisierung dieser Werke durch das Ensemble Musica Fiata und die Capella Ducale auf der vorliegenden CD ist absolut überzeugend, ja geradezu hinreißend. Einige Werke, wie das doppelchörige „Singet dem Herrn“ aus den 1618 als Sammlung veröffentlichten „Psalmen Davids“ und die beiden Zwillingsmotetten „Verleih uns Frieden“ und „Gib unsern Fürsten“ aus der 1648 als Sammlung veröffentlichten „Geistlichen Chormusik“ dürfen vielen bekannt sein, die Ensembles bringen auch zwei bisher ungehörte Werke von Schütz zum Klingen: „Esaia, dem Propheten, das geschah“ und den berühmtesten Reformationschoral „Ein feste Burg ist unser Gott“. Beides konnte aufgrund der Angaben Hoëneggs und weiterer akribischer Forschungen rekonstruiert werden. Überwältigend auch „Kyrie“ und „Gloria“ aus der „Missa gantz Teudsch“ von Praetorius in ihrer Klangpracht und mitreißenden Virtuosität.

Den Predigten von 1617 mag schwerlich ein Mehrwert für unsere Zeit abzugewinnen sein. Die Musik von damals aber, besonders wenn sie so herausragend wie hier zum Leben erweckt wird, kann auch heute noch Herz und Seele im Übermaß wärmen und nähren.

Reinhard Mawick

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