Mut zu schmutzigen Händen

Eine AfD-Mitgliedschaft ist nicht alleiniger Ausschlussgrund für Kirchentagspodien
Zunehmend braun? Rosenmontagswagen des Künstlers Jaques Tilly in Düsseldorf, Februar 2016. Foto: epd/ Stefan Arend
Zunehmend braun? Rosenmontagswagen des Künstlers Jaques Tilly in Düsseldorf, Februar 2016. Foto: epd/ Stefan Arend
Der Bonner Pfarrer Siegfried Eckert forderte in zz 12/2016, AfD-Mitglieder dürften auf keinen Fall auf Podien des Kirchentages eingeladen werden. Nur so könne deutlich werden, dass der Kirchentag gegen Rechtspopulismus eintrete. Ihm widerspricht die Schweizer Theologin und Präsidentin des Kirchentages 2017 Christina Aus der Au.

Es ist erschütternde Realität, dass nationalistischer Populismus mehr und mehr Zuspruch findet, Demokratie diskreditiert und Hass geschürt wird, einfache Antworten verfangen und Feindbilder stilisiert werden. Und in vielen Menschen brennt die Frage, wie dieser Entwicklung begegnet werden kann und wie mit denen umgegangen werden soll, die das Wort führen und denen, die sympathisieren. Wie können wir gegensteuern und was ist das deutlichere Zeichen?

Auch das Präsidium des Kirchentags muss sich dazu verhalten, wie das Thema Rechtspopulismus beim Kirchentag zu behandeln ist. Ist es notwendig, zielführend und im Sinne eines Dialoges überhaupt möglich, mit denen zu sprechen, die nationalistischen Überzeugungen anhängen? Darf, wer AfD-Mitglied ist, bei einem Kirchentagspodium mitwirken oder nicht?

In der Tat war die Überlegung, die AfD-Zugehörigkeit zum Ausschlusskriterium zu machen, eine Option, die das Präsidium erwogen hat. Auf den ersten Blick scheint dies eine konsequente Haltung zu sein. Und die Aussicht, sich mit einem solchen Beschluss die weiße Weste anzuziehen und mit einem Federstrich dem Ringen um den angemessenen Umgang mit der AfD zu entziehen, ist verlockend. Dennoch hat sich das Präsidium nicht für diesen Weg entschieden. Denn die Wirklichkeit des gesellschaftlichen Diskurses ist wesentlich komplexer. Wie also lautet der Vorwurf, den der Bonner Pfarrer Siegfried Eckert erhebt?

Weil der Kirchentag die Mitwirkung von AfD-Mitgliedern nicht kategorisch ausschließe, biete er Rassisten ein Podium. Aber dieser Umkehrschluss ist falsch. Noch nie in seiner Geschichte hat der Deutsche Evangelische Kirchentag rassistische oder menschenverachtende Äußerungen bei seinen Veranstaltungen geduldet. Und genau diese Haltung hat das Präsidium in seinem Beschluss vom 17. September bekräftigt: „Nicht eingeladen wird, wer sich rassistisch äußert. Gleichermaßen nicht eingeladen werden Personen, die Äußerungen gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit verbreiten, unabhängig davon, ob dies in offiziellen Statements geschieht oder in sozialen Medien und Netzwerken.“ Das gilt, dies sei nebenbei bemerkt, für jede und jeden, gleich welcher Partei sie oder er angehören mag.

Eine zweite Selbstverständlichkeit hat das Präsidium erneut zum Ausdruck gebracht: „Vortragende auf Kirchentagspodien werden aufgrund ihrer fachlichen Kompetenz eingeladen.“ Diejenigen, die das Programm des Kirchentags planen, bitten Menschen um Mitwirkung, die aufgrund eigener Expertise etwas zum Thema einer Veranstaltung zu sagen haben und von denen ein gewinnbringender Beitrag zur Debatte erwartet werden kann. Sollte dies auf ein Mitglied der AfD zutreffen und vertritt diese weder offiziell noch in sozialen Netzwerken rassistische Ansichten, ist nicht grundsätzlich ausgeschlossen, mit ihm in eine kontroverse Auseinandersetzung beim Kirchentag einzutreten.

Zum dritten hat das Kirchentagspräsidium festgehalten, dass niemand wegen seines Parteibuches ein- oder ausgeladen wird. Nicht die Zugehörigkeit zu einer Partei garantiert oder verhindert eine Podiumsteilnahme. Zugangsvoraussetzung ist Kompetenz und Ausschlusskriterium Rassismus. Kaum jemand hätte vor dem Erstarken der AfD dieses Vorgehen in Zweifel gezogen. Und wir tun gut daran, uns als Kirchentag auch jetzt nicht auf die Parteizugehörigkeit engführen zu lassen. Die Frage nach dem Umgang mit der AfD ist nicht beliebig, sie muss ernsthaft diskutiert werden, aber es ist nicht die entscheidende Frage.

Ort für kluge Diskussion

Entscheidend ist, wie es gelingt, gesellschaftlichen Konsens darüber herzustellen, dass in unserer Demokratie allen die gleichen Rechte und die gleiche Würde zukommt. Entscheidend ist, wie die Integration von geflüchteten Menschen gelingt und wie die Lebensbedingungen in ihren Herkunftsländern verbessert werden können, so dass sie dort wieder eine Heimat finden. Entscheidend ist, den Auswirkungen sozialer Ungleichheit zu begegnen, die ein Nährboden für Frustration und aus Verlustängsten resultierender Intoleranz sind. Entscheidend ist, den Mut und die Entschlossenheit derer zu stärken, die für eine offene und solidarische Gesellschaft eintreten. Über diese Themen müssen wir reden, und der Kirchentag ist ein Ort für kluge Diskussion und klare Worte, für große Ideen und mutigen Aufbruch. Der Kirchentag steht nicht für Abschottung, sondern für Debatte, nicht für Wegsehen, sondern für Hinsehen, auch wenn es wehtut. Warum sollten wir die Auseinandersetzung scheuen? Nicht blauäugig, nicht naiv, nicht, indem wir die Bühne für Hassparolen freigeben. Sondern mit klarer Botschaft und klarer Haltung für Toleranz und Menschenwürde auf derselben Bühne.

Natürlich wiegt die Befürchtung schwer, mit der Teilnahme am Kirchentag würden AfD-Vertreter als gleichberechtigte Partner im Diskurs anerkannt und ihre Positionen würden so bedenkenswert. Aber eine Einladung auf ein Kirchentagspodium ist nicht identisch mit dem Ritterschlag zur Demokratietauglichkeit. Ja, der Kirchentag stellt Öffentlichkeit her, aber er stellt sie damit auch zur Diskussion. Und gegen eine Menge von 2?000 kritischen, differenziert denkenden Kirchentagsbesucherinnen und -besuchern anzudiskutieren, die an die unbedingte Würde eines jeden Menschen glauben, dürfte für einen AfDler im besten Fall eine eher unerfreuliche Erfahrung sein.

Dass die Partei eine mögliche Einladung für sich als Erfolg verbucht, hat der Kirchentag nicht in der Hand. Aber der kategorische Ausschluss gäbe ihr die Gelegenheit, sich als ausgegrenzt zu stilisieren. Hier gibt es bei keiner der möglichen Entscheidungen für den Kirchentag etwas zu gewinnen.

Aber angesichts der gesellschaftlichen Realitäten reicht es nicht mehr, sich mit verschränkten Armen wegzudrehen. Trotz aller Erschütterung darüber müssen wir uns auch dem Vorwurf stellen, zur abgehobenen Elite zu gehören. Gerade weil es falsch ist, braucht diese Unterstellung eine eindeutige Antwort. Wir werden uns als Christenmenschen dabei eher die Hände schmutzig machen, als sie in Unschuld zu waschen. Die Entscheidung des Kirchentagspräsidiums ist nicht, wie von Pfarrer Eckert behauptet, „befremdlich schizophren“, sondern strategisch richtig und notwendig.

Das Präsidium des Kirchentages hat die Argumente für oder gegen eine mögliche Einladung von Referentinnen und Referenten, die der AfD angehören, gewogen und entschieden. Man kann gute Gründe haben, das anders zu sehen, man kann darüber streiten und muss am Ende aushalten, dass es in dieser Frage verschiedene Wege gibt. Aber nur auf einem kann man gehen.

Haltlos ist allerdings, dem Kirchentag zu unterstellen, er suche nach einem Türöffner, um AfD-Mitgliedern den Weg aufs Podium zu ebnen oder ihm gar ein Appeasement gegenüber völkischen Agitatoren vorzuwerfen. So zu polemisieren verstellt den Blick auf das gemeinsame Anliegen, den Kirchentag im kommenden Jahr zu dem zu machen, was er sein kann: Zeitansage gegen Ausgrenzung und Verachtung, gegen nationalistischen Rechtspopulismus und gegen Menschenfeindlichkeit.

Christina Aus der Au

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