Im Namen des Friedens

In Berlin suchten Vertreter unterschiedlicher Religionen Wege aus Konflikten
Bundesaußenminister Sigmar Gabriel im Gespräch mit Geistlichen aus dem Nahen Osten. Foto: dpa/ Britta Pedersen
Bundesaußenminister Sigmar Gabriel im Gespräch mit Geistlichen aus dem Nahen Osten. Foto: dpa/ Britta Pedersen
Um die „Friedensverantwortung der Religionen“ ging es am 22. Mai im Auswärtigen Amt bei einer Konferenz, zu der der Bundesaußenminister geladen hatte. Seine Einladung stieß auf große Resonanz und dürfte nicht die letzte ihrer Art gewesen sein.

Ach, wenn Diplomatie doch immer so bunt wäre. Oder die Religion. In diesem Fall treffen beide Welten aufeinander, im Foyer des Weltsaals des Auswärtigen Amtes in Berlin. Der Bundesaußenminister hat weit über 100 Vertreter verschiedener Religionen aus der ganzen Welt eingeladen, um mit ihnen auf einer knapp dreitägigen Konferenz über die „Friedensverantwortung der Religionen“ zu diskutieren. Christen, Juden, Muslime, Jesiden, Bahai - viele in ihrer Landes- oder Amtstracht - stellen sich zum Fototermin auf, begrüßen sich lächelnd, viele scheinen sich zu kennen. Und dennoch ist dieses Treffen, das Ende Mai in Berlin stattfand, eine Premiere. Sie folgt der Prämisse, die der jetzige Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier noch als Außenminister mit Bezug auf den Soziologen und Außenpolitiker Ralf Dahrendorf ausgab: Wegkommen von der Außenpolitik der Staaten hin zur Außenpolitik der Gesellschaft.

Und weil Religionsgemeinschaften ein wichtiger Teil der Zivilgesellschaft sind, galt es nun, sie zu gewinnen und ihre Erfahrung zu nutzen für die Friedensdiplomatie. Eine entsprechende Stabsstelle wurde eingerichtet, Fachleute auch aus der Kirche wurden gewonnen. Und nun die erste Konferenz, die zunächst einen Schwerpunkt setzt auf die abrahamitischen Religionen, deren Miteinander nun wahrlich nicht immer friedlich ist und durch den mit religiösem Etikett versehenen Terror des IS auch in Europa neue Brisanz bekommen hat. „Oftmals sind es Religionen, die im Zentrum von Konflikten stehen, und sei es auch nur, weil sich hinter dem Begriff der Religion, des Religiösen ganz andere Interessen verstecken und diese Identität nur missbrauchen, um in Wahrheit politische Machtansprüche durchzusetzen“, räumte auch Bundesaußenminister Sigmar Gabriel in seiner Begrüßungsrede ein. Gleichzeitig kenne er keine Religionsgemeinschaft, „die in ihren geschriebenen oder überlieferten Ideen sich nicht genau das zum Ziel macht, nämlich Frieden zwischen Menschen und vor allen Dingen mit Gott zu schaffen“. Es gebe also Gesprächsbedarf, „vor allem an Gesprächen miteinander, und nicht übereinander“.

Und so wurde viel miteinander geredet, zunächst presseöffentlich auf der Bühne, wo unter anderen David Rosen vom American Jewish Comitee, der schon als Rabbiner in Südafrika, Nordirland und Israel für Frieden und Versöhnung eintrat, den Teilnehmern der Konferenz zurief: „Wenn wir nicht wollen, dass Religion Teil des Problems ist, müssen wir sie zu einem Teil der Lösung machen!“ Husein Kavazovic, Großmufti von Bosnien und Herzegowina, betonte: „Der Islam ist eine Religion des Friedens, die große Mehrheit der islamischen Gemeinschaft befolgt das. Wir halten dieses Prinzip gegenüber anderen Gruppen hoch.“ Und Agnes Aboum vom Weltkirchenrat beschrieb die Gespräche zwischen den Religionen in ihrer Heimat Kenia im Zuge der Erarbeitung einer neuen Verfassung als mutmachendes Beispiel. Das Gesetzeswerk besitze die „spirituelle Identität“ von Muslimen, Christen und den afrikanischen Religionen.

Dann ging es weiter in kleineren Arbeitsgruppen, in denen geschützt über unterschiedliche Fragen der Friedensarbeit diskutiert wurde. Weil alle Teilnehmer sich schon in Friedensprojekten und interreligiösen Gesprächen auskannten - man hatte bewusst weniger die führenden Vertreter, sondern eher die mittlere Arbeitsebene eingeladen - verliefen die Gespräche offenbar sehr konstruktiv. Mit dabei war Renke Brahms, Friedensbeauftragter der EKD. Auch er hält sich an die vereinbarte Vertraulichkeit der Gespräche, zeigte sich aber von der gesamten Veranstaltung sehr beeindruckt. „Die Fokussierung auf die friedenstiftende Rolle der Religionen ist ein sehr positiver Perspektivwechsel“, sagte er im Gespräch mit zeitzeichen. Es sei deutlich geworden, dass die Teilnehmer auf diesem Weg weitergehen wollen. Denn: „Der konkrete interreligiöse Dialog hat eine starke, friedenstiftende Kraft.“

Stephan Kosch

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