Ein bisschen Frieden

Hauptversammlung des Reformierten Bundes in Moers
Stadtkirche Moers: Martin Engels erstattet den Bericht des Moderamens. Foto: Reformierter Bund
Stadtkirche Moers: Martin Engels erstattet den Bericht des Moderamens. Foto: Reformierter Bund
Ernstes Theologietreiben und Fröhlichkeit in der Begegnung sind das Markenzeichen des Reformierten Bundes. Sie prägten auch dessen Hauptversammlung in Moers am Niederrhein. Zudem wurde eine Friedenserklärung verabschiedet. Aber warum?

Alle (zwei) Jahre wieder lädt der Reformierte Bund seiner Mitglieder zur Hauptversammlung ein. Genau 119 Menschen waren laut Teilnehmerliste dem Ruf nach Moers am Niederrhein gefolgt, und dessen eingedenk fühlte man sich schon zu Beginn, im Eröffnungsgottesdienst in der sonnendurchfluteten Stadtkirche, als feierlich die zehn Gebote verlesen wurden, an die Eingangsworte des 119. Psalms erinnert, die da lauten: „Wohl denen, die ohne Tadel leben, die im Gesetz des Herrn wandeln!“

Die Predigt hielt der rheinische Präses Manfred Rekowski, der in seiner Predigt an Helmut Gollwitzers Bild von den Christen als „Vortrupp des Lebens“ erinnerte und klar proklamierte, „Umkehr“ sei das „Gebot der Stunde“ und zu selbiger mit dem nachdenkenswerten Satz „Im Klima des nahen Gottesreiches ist Umkehr möglich“ ermutigte. Eindrücklich auch das schweigend eingenommene Abendmahl - keine Spendeworte zu den Elementen - lediglich untermalt von Klaviermusik. Beeindruckend!

Derart geistlich gestärkt hörte die Versammlung dann den ersten Bericht ihres Leitenden Geistlichen, Moderator Martin Engels, der 2015 die Nachfolge von Peter Bukowski angetreten hatte, der zuvor ein Vierteljahrhundert an der Spitze des reformierten Leitungsgremiums, des sogenannten Moderamens (zu Deutsch: Lenkung, Steuer) gestanden hatte. Engels zeigte sich angetan vom Reformationsjubiläum: „Ein außergewöhnliches Angebot an besonderen Gottesdiensten, Vorträgen, Mitmachaktionen, Konzerten und Kulturveranstaltungen gibt Zeugnis von einem Engagement und einer Vitalität unserer Kirche in diesem Jahr, für das wir nur dankbar sein können“, resümierte er und fügte an: „Dieser geistliche Ressourcenreichtum steht (…)der oft so bestimmenden Frage nach den schwindenden finanziellen Ressourcen in den Gemeinden heilsam gegenüber.“

Dann übte Engels aber Kritik an der von der EKD und den staatlichen Stellen eingesetzten Dachmarke: „Ein in schwarz-rot-gold eingefasstes Luther-Konterfei (…) hat dem Ziel einer ökumenisch, weltoffen(en) und die Welt hinterfragend(en) Jubiläumsfeier suboptimal gedient“. Der Moderator mahnte angesichts der erschreckenden Tatsache, dass die npd sogar auf einem Plakat zur Bundestagswahl mit einem Bild Luthers und dem ihn in den Mund gelegten Satz „Ich würde npd wählen“, geworben hatte, dass es eben „Zeiten“ gäbe „in denen es nicht reicht, wenn man die Deutungshoheit über Symbole behalten will.“ Vielmehr gelte: „Es gibt Zeiten, in denen man auf bestimmte Symbolik verzichten muss.“ Interessant, wenn auch für Lutheraner hart zu hören.

Spannende Frage

Der zweite Moerser Tag gehörte der Theologie. Damit ist es den engagierten Reformierten des gleichnamigen Bundes sehr Ernst, sind sie doch in erfrischender Art und Weise von der Überzeugung getragen, dass Theologie nicht nur etwas für Theologinnen und Theologen ist, sondern für alle engagierten Christenmenschen: Nachdem der Göttinger Praktische Theologe Alexander-Kenneth Nagel vormittags ein ernüchterndes Bild von der „Religiöse(n) Pluralisierung der Gesellschaft im gegenwärtigen Deutschland“ gezeichnet hatte, referierte nachmittags der emeritierte Bochumer Systematiker und zeitzeichen-Herausgeber Michael Weinrich unter dem beziehungsreichen Titel „Verein(t) zur Gemeinschaft? Anregungen zu einer theologischen Soziologie der Kirche(n)“. Er beschäftigte sich mit der spannenden Frage, was uns denn als Christenmenschen überhaupt verbinde, und begann mit einem Kunstgriff, nämlich der Anrede „Liebe Vereinsmitglieder“, um dann zu konzedieren, dass „Liebe Schwes-tern und Brüder“ wohl angemessener sei, obwohl die Hauptversammlung des Reformierten Bundes ja nun einmal die satzungsgemäße Mitgliederversammlung eines eingetragenen Vereines wäre.

Weinrich erinnerte dann an Dietrich Bonhoeffer, der sich bereits in seiner Doktorarbeit mit der „besonderen Gemeinschaftsform der Kirche“ beschäftigt habe, und kam mit dem berühmtesten Märtyrer der Bekennenden Kirche zu dem Schluss, dass die „spezifische Sozialform der Kirche“ nicht über „von uns zu verwaltenden Kriterien reguliert“ werde, sondern uns „vor allem“ dadurch an sich binde, „dass sie uns von allen Modellen unserer individuellen und gemeinschaftlichen Selbstverwirklichung“ befreie - oder in Bonhoeffers Worten: ein „gemeinsames Leben unter dem Wort wird nur dort gesund bleiben, wo es sich nicht als Bewegung, als Orden, als Verein, als collegium pietatis auftut, sondern wo es sich als ein Stück der Einen, heiligen, allgemeinen, christlichen Kirche versteht.“

Dies entfaltete Weinrich dann im Blick auf unsere multireligiöse Wirklichkeit, in dem er als gemeinsames Kriterium festhielt: „Religionen sind keine Veranstaltungen der Selbstfeier des Menschen, sondern seiner öffentlichen und gemeinschaftlichen Selbstzurücknahme.“ Harter Stoff für die anschließende Diskussion in den Kleingruppen - ein Markenzeichen des Reformierten Bundes, in denen viel Erfrischendes und Kostbares geschieht!

Vor 25 Jahren sorgte die Friedenserklärung des Reformierten Moderamens für Aufsehen, als sie das Nein zu Atomwaffen in den Bekenntnisrang erhob. Warum aber der Reformierte Bund nun wieder eine Friedenserklärung veröffentlichte? Sie besteht aus sieben Leitsätzen, die die Konflikthemen und Krisen unserer Welt kurz umreißen, um dann mit bekenntnisartigen Vergewisserung Ermutigung zu betreiben, aber dennoch eigentlich im Ungewissen zu bleiben. Zum Beispiel Leitsatz vii: „Zum Kalkül des Terrorismus gehören Angst und Hysterie. Die verändernde Kraft des Geistes Gottes tritt diesem Kalkül mit widerständiger Besonnenheit entgegen.“ Das ist zweifelsohne richtig, bleibt dann aber im erläuternden Teil unkonkret. Insofern hätte es dieses „Zwischenruf des Moderamens“ nicht unbedingt bedurft, aber schaden tut er - natürlich - auch nicht.

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Reinhard Mawick

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