Fruchtbarer Dialog

Katja Dubiski, die Seelsorge und die Psychotherapie
Foto: Larissa Faber
Foto: Larissa Faber
Die Praktische Theologin und Psychologin Katja Dubiski vergleicht in ihrer Forschungsarbeit Seelsorge und Kognitive Verhaltenstherapie – eine nützliche und durchaus nötige Pionierarbeit, meint sie.

Als Kind wurde ich kirchlich sozialisiert, aber als Jugendliche empfand ich dann einige Glaubensinhalte doch als recht fragwürdig – jedenfalls so, wie sie in meiner eher konservativen Herkunftsgemeinde vertreten wurden.

Ich fragte mich: Muss das so sein? Geht das nicht auch anders? Dann lernte ich Theologiestudierende kennen und war sehr beeindruckt, wie die ganz anders über den christlichen Glauben gesprochen und gedacht haben. Ich entschied mich, Theologie zu studieren.

Schon bald merkte ich, dass ich nicht in einer theologischen Binnenperspektive verharren wollte. Deshalb begann ich parallel auch mit Psychologie. Überrascht war ich, als ich merkte, dass es in der Psychologie ebenso wie in der Theologie eine ganze Bandbreite verschiedener Menschenbilder gibt, die zu ganz unterschiedlichen Folgerungen kommen, gerade auch was die Psychotherapie betrifft. Und wie viel Statistik und Biologie im Psychologiestudium vorkommen und wie anders die Sprache und der Ansatz des Denkens sind als in der Theologie! Alle, denen ich erzählte, dass ich neben Theologie nun auch Psychologie studierte, sagten hingegen: „Toll, das kannst Du ja sicher alles gut für die Seelsorge gebrauchen!“ Meine Erfahrung war aber zunächst, dass es eigentlich „offiziell“ gar keine Berührungspunkte zwischen beiden Fächern gibt.

In der Theologie interessieren sich die meisten höchstens für ein Teilgebiet der Psychologie, nämlich die Psychoanalyse. So fand ich, wenn ich ein pastoralpsychologisches Lehrbuch aufschlug, kaum etwas von dem, was ich in Psychologie studierte. Und in der Psychologie interessiert sich sowieso kaum jemand für Theologie, ja, sie wird häufig sogar als Wissenschaft in Frage gestellt.

In der allgemeinen Vorstellung ist der entscheidende Berührungspunkt zwischen beiden Fächern, dass sowohl die Seelsorge als auch die Psychologie dem Menschen helfen wollen. Das ist nicht falsch, aber das Helfen geschieht eben mit recht unterschiedlichen Akzenten: Die Psychologie hat die Aufgabe, zu erklären, was im Menschen vorgeht. Die Theologie hingegen, die per se eher über Gott redet, muss sich, um genauer zu erkennen, was im Menschen vorgeht, anderer Wissenschaften bedienen. In der Seelsorge liegt der Schwerpunkt darauf, für den anderen Menschen da zu sein, es gibt kein exakt formulierbares Seelsorge-Ziel, an dem sich der Erfolg von Seelsorge eindeutig messen ließe. Deshalb sprechen wir auch weniger von erfolgreicher Seelsorge, weil es dafür ja gar keine Parameter gibt, sondern wenn überhaupt, eher von gelungener Seelsorge. Das ist in der Psychotherapie anders, da soll am Ende ein Ergebnis, ja, im besten Fall ein Erfolg stehen.

Ich hatte den Wunsch, beide Perspektiven zusammenzubringen, das kommt schon im Titel meiner Dissertation zum Ausdruck: „Seelsorge und Kognitive Verhaltenstherapie – Plädoyer für eine psychologisch informierte Seelsorge“. Es geht mir nicht darum, die Perspektiven der Theologie und der Psychologie gegeneinander auszuspielen, aber ich halte es für wichtig, dass Menschen, die in der Seelsorge tätig sind, über das Selbstverständnis der Psychologie informiert sind. Es gab vor einigen Jahrzehnten ja schon mal so eine Art Psychowelle in der Theologie, aber da ging es vor allem um Psychoanalyse, die damals das führende Modell in der Psychotherapie war. Da hat sich in den vergangenen Jahrzehnten sehr viel verändert. Heute ist die sogenannte Kognitive Verhaltenstherapie das Hauptmodell, um das man aktuell in der Psychologie nicht herumkommt, genauso wie man heute in der evangelischen Theologie nur schwerlich an Luther und Schleiermacher vorbeikommt.

Dass man mit Gedanken auch Gefühle und Verhalten beeinflussen kann, ist eine wichtige These der Kognitiven Verhaltenstherapie. Je nachdem, wie ich eine Situation bewerte, kann ich mich dann dementsprechend auch anders verhalten. Ich bin nicht mehr meinen Gefühlen ausgeliefert. Dieser Grundgedanke ist meines Erachtens wirklich ein Fortschritt, denn anders zu denken kann ich einüben. Ein ganz einfaches Beispiel: Wenn mir ein Mensch negativ begegnet, kann ich denken: „Keiner mag mich“, oder ich kann denken: „Vielleicht hat er heute nur einen schlechten Tag!“

Die Kognitive Verhaltenstherapie vertritt also ein eher optimistisches Menschenbild, eines, das die Klienten aktivieren will. Wenn ich davon ausgehe, dass ich jetzt, in der Gegenwart, meine Gedanken beeinflussen kann, dann brauche ich erst mal gar keine detaillierte Vorstellung von der Beziehung zu meinen Eltern und meiner Kindheit. Natürlich ist das auch nicht unwichtig, aber für die Kognitive Verhaltenstherapie ist viel entscheidender, wie ein Klient seine Situation jetzt bewertet und was er oder sie jetzt anders machen kann.

Dieses Denken kommt aus den USA, aus einer pragmatischen Denktradition. Die deutsche Rezeption ist da traditionell zurückhaltend, besonders auch in der Theologie. Es geht mir nun keinesfalls darum, dass wir in der Seelsorge jetzt auch Therapien veranstalten, deswegen ist mir das „informiert“ im Titel meiner Arbeit wichtig: Ich finde es sehr wichtig, dass wir uns als Theologinnen und Theologen bewusst machen, welches Menschenbild unserer Seelsorge zugrunde liegt.

Ich habe in Seelsorgekursen immer wieder erlebt, dass gesagt wurde: „Die Psychologie sieht den Menschen so und so“. Meist war damit dann aber nur die Psychoanalyse gemeint. Ich empfinde es hingegen auch als hilfreich, sich mit den Erkenntnissen der Kognitiven Verhaltenstherapie zu beschäftigen. Sie arbeitet mit Präzisierungen der Sprache und vermeidet Verabsolutierungen und Nominalisierungen, formuliert – wieder ein einfaches Beispiel – statt „Hans macht mir Angst“ lieber „Gestern habe ich mich vor Hans gefürchtet, weil er so grimmig geschaut hat“.

Meine Arbeit versteht sich als Pionierarbeit, in der erstmals eine umfassende theoretische Diskussion der bedeutsamsten Varianten der Kognitiven Verhaltenstherapie aus theologischer Perspektive erfolgt. Ich wünsche mir, dass dies dazu beiträgt, ihre Grundannahmen in der Theologie bekannt zu machen, und einen Anstoß dafür gibt, dass in der kirchlichen Ausbildung diese Therapieform, die heute in der Psychologie die vorherrschende ist, stärker wahrgenommen wird.

So hoffe ich, dass meine Dissertation, die eine Art Verdolmetschung zwischen Theologie und Psychologie sein möchte, einen Beitrag dazu leisten kann, dass die Praktische Theologie mit der Kognitiven Verhaltenstherapie in einen fruchtbaren Dialog tritt.

Aufgezeichnet von Reinhard Mawick

Katja Dubiski

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