Überlichtes Licht

Vox Luminis singt Buxtehude
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So gleichzeitig ästhetisch erhaben und zutiefst andächtig habe ich Buxtehude noch nie gehört.

Es ist faszinierend, wie sich immer wieder neue Ensembles finden, die die unerschöpfliche Energie und den luziden Reichtum der Alten Musik neu zugänglich machen und immer tiefgehender zum Klingen bringen.

Heuer ist es das international besetzte belgische Vokalensemble Vox Luminis, das seine Stimme des Lichts einer Abendmusik mit dem Lübecker Großmeister Dietrich Buxtehude schenkt. Was für ein Glück, dass und wie in Belgien Ensembles und Musik dieser Art gezielte Förderung erfahren. So erwachsen aus diesem umtriebigen Schmelztiegel der englischen, franko-flämischen und deutschen Tradition immer wieder Ensembles von Welt, deren polyglott geschulte Stilsicherheit und die daraus resultierende internationale Reife für unerwartete Hörerfahrungen und Gänsehautmomente sorgen.

Vox Luminis beweist das sowohl mit einer exquisiten Sprachbehandlung, als auch einer tief die Wort-Ton-Beziehung verinnerlicht habenden, berührend empathischen Kraft. Das instrumental begleitende Ensemble Masques tut es ihnen gleich, indem es sich in seiner Farbwahl nie verausgabt, aber alle Töne und Schattierungen so überzeugend in den Gesamtklang einwebt, dass es ein Genuss ist. So gleichzeitig ästhetisch erhaben und zutiefst andächtig habe ich Buxtehude noch nie gehört - das expressiv Dringliche, wie es ganzkörperlich bebend aus der Kantate „Gott hilf mir, denn das Wasser geht mir bis an die Seele“ (BuxWV 34) spricht, ebenso, wie die nicht minder existentiell fühlbare, zärtliche Hingabe in der Kantate „Herzlich lieb hab ich dich, o Herr“ (BuxWV 41).

Dies sind nur zwei Beispiele. Dass Lionel Meunier hierfür so exzellente Sängerinnen und Sänger wie Caroline Weynants, Zsuzsi Tóth und Sebastian Myrus zur Verfügung hat, die weit über ihren nationalen Horizont hinaus musikalisch verwurzelt und gebildet sind, stellt eine grundsätzliche Qualität dar, die diesen neuen Buxtehude möglich macht. Hört man beispielsweise Sebastian Myrus’ eindringliches „Gott hilf mir“, dann weiß man, was die Qualität dieser Aufnahme in ihrer Ausdruckskraft vollendet erscheinen lässt: die Begegnung zweier Meister, die ihre Kraft nicht allein in der technischen Kunstfertigkeit, sondern in der Wahrhaftigkeit des Ausdrucks und dem sublimen seelischen Leuchten zeigen.

Wie der norddeutsch distinguierte Meister Buxtehude das mit so kleinen Besetzungen, wie sie hier zum Klingen kommen, vollendet auszuloten vermag, entspricht den Ensemblequalitäten von Vox Luminis - gemeinsam werden sie in individueller Farbigkeit klanglich zu einem überlichten Licht, in dem alle verschmelzen, ohne in der Anonymität zu verschwinden. Treten sie einzeln heraus, tun sie das mit einem Strahlen, in dem diese Abendmusik im eichendorffschen Sinne wie das ew’ge Morgenrot funkelt. Ein Tipp zum Schluss: Wer nicht gleich Zeit für alle 85 Minuten dieser CD hat, wird zunächst auch von „Jesu, meine Freude“ (BuxWV 60) dahin geführt.

Klaus-Martin Bresgott

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