Detailversessen

Beziehungen im Kibbuzdorf
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Fressen oder gefressen werden: Darum geht es, auch wenn die ausweglose, politische Lage in Palästina kaum je direkt benannt wird.

Die Schakale heulen in jeder dieser acht frühen Erzählungen des Autors. Sie durchstreifen das Niemandsland zwischen der Wüste und einem Kibbuzdorf, in dem Amos Oz seine Geschichten ansiedelt. Wenn die Tiere elendig in einer Falle krepieren, wenn die Meute ihr Trauergeheul um einen ihrer verlorenen Brüder anstimmt, könnte die Hörerin Mitleid mit diesen hässlichen Kreaturen entwickeln. Doch Oz beschreibt ebenso detailversessen, wie die Schakale sich über die Leichen gefallener Soldaten hermachen. Fressen oder gefressen werden: Darum geht es, auch wenn die ausweglose, politische Lage in Palästina kaum je direkt benannt wird. Stattdessen erzählt Amos Oz über das komplizierte Beziehungsgeflecht im Kibbuzdorf. Fast immer geht es um einen Generationenkonflikt. Die Söhne verhalten sich nicht männlich genug, die Töchter fühlen sich zu arabischen Hirten hingezogen, die Gründer selbst verlassen den Kibbuz, als sie erkennen, dass ihre Ideale keine Zukunft haben. Ein unscharfes „Wir“ beobachtet und erzählt diese Entwicklung ungerührt.

Die Erzählungen erschienen bereits 1965 und liegen jetzt erstmals in deutscher Übersetzung vor. Erstmalig ist auch ihre Produktion als Hörbuch. Muss man noch viel über die Qualität der Präsentation hinzufügen, wenn Christian Brückner sie vorlegt? Der wohl berühmteste, deutschsprachige Vorleser versenkt seine Stimme ins Innere eines Erzähltextes, der nie Rollenprosa wird und nie Rollenprosa werden soll. Da trotzdem die Erzählper-spektiven ständig wechseln, liest sich diese Prosa nicht einfach. Wer das Buch als Einstieg in das Werk von Oz wählt, kommt mit dieser Hörversion vermutlich leichter zurecht als mit der Printausgabe.

Susanne Krahe

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