Schutz vor den Eltern

Ein Punktum
Wo bleibt das Urteil gegen die Kindstaufe? Da werden unschuldige Kindlein plötzlich mit Wasser übergossen und unsanft aus dem Schlummer gerissen. Wenn das keine Körperverletzung ist...

Endlich wissen wir es, dem Kölner Landgericht sei Dank: Maria und Josef waren Rabeneltern. Denn sie ließen ihren Erstgeborenen beschneiden. Und Christen feiern dies - die Circumcisio Domini - auch noch, am 1. Januar. Dabei verändert eine Beschneidung - haben die Kölner Richter im Fall eines muslimischen Kindes rechtskräftig entschieden - den Körper "dauerhaft und irreparabel", und dies "läuft dem Interesse des Kindes, später selbst über seine Religionszugehörigkeit entscheiden zu können, zuwider". Maria und Josef und derjenige, der Jesus beschnitt, hatten noch Glück. Damals hatten in Jerusalem - und in Köln - die Römer das Sagen und nicht deutsche Juristen. Aber auf die wartet noch viel Arbeit. Wenn erst einmal die rund 50 Millionen Deutschen klagen, die als Babys getauft wurden, was ihrem Interesse, "später selbst über seine Religionszugehörigkeit entscheiden zu können", zuwiderlief. Und was noch einschneidender ist: Der Vertrag, den Gott mit dem Täufling schließt, gilt bis zum Tod, und er ist unkündbar. Das verstößt doch gegen die guten Sitten, oder? Das Urteil zur Beschneidung sollte von einem "nicht einwilligungsfähigen Knaben" Schaden abwenden. Aber die Taufe ist doch viel gravierender. Denn sie betrifft auch "nicht einwilligungsfähige Mädchen". Ja, überhaupt: Da werden unschuldige Kindlein plötzlich mit Wasser übergossen und unsanft aus dem Schlummer gerissen. Wenn das keine Körperverletzung ist. Und noch tiefer dürfte das Trauma gehen, das die rund eine Million orthodoxer Christen in Deutschland erlitten haben. Sie wurden als Babys bei der Taufe sogar ganz untergetaucht - und zwar dreimal! Wie G.H. in der FAZ schrieb, hat das Kölner Landgericht recht getan, dass es "die religiös gesteuerte Beschneidung minderjähriger Jungen als Straftat wertet". Wäre die Beschneidung dagegen "rechtlich erlaubt", müsste der Staat "zwischen religiös tradierten und individuell motivierten Körperverletzungen unheilbarer Art unterscheiden". Aber der Rechtsstaat, so die Fazologik, müsse "gerecht gegenüber jedermann sein" und daher Kinder "vor ihren Eltern und deren Überzeugungen in Schutz nehmen, falls sich deren Folgen nicht bis zur Volljährigkeit auswachsen können". Und hier droht natürlich Gefahr. So wurde Martin Luther nicht vor seinen "Eltern und deren Überzeugungen" geschützt, sondern schon am Tag nach seiner Geburt getauft. Und die Folgen haben sich "nicht bis zur Volljährigkeit auswachsen können". Ja, danach hat er die ganze Welt durcheinander gebracht. Hinter der faz mag ja ein kluger Kopf stecken, aber davor und drinnen? Doch vielleicht wächst sich die beschränkte Sicht der Religion(sfreiheit) bei manchen Journalisten und Juristen ja auch aus.

Jürgen Wandel

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