Te deum

Musik - die heilige Farbe unserer Kirche
Foto: Dominik Butzmann
Singen ist eine Schule der Kommunikation und letztlich auch eine Säule unserer Kultur. Und ganz wichtig: Singen führt zum Grund des Glaubens.

2012 ist Halbzeit. Halbzeit auf dem Wege der Lutherdekade, die uns seit 2008 auf das große Reformationsjubiläum 2017 hinführt. Diese Halbzeit ist aber keinesfalls die große Pause, sondern soll ein großes Fest werden. Ein Fest der Klänge, ein Fest des Singens, ein Fest des Klingens - denn 2012 steht als Themenjahr der Lutherdekade unter dem Motto "Reformation und Musik".

Das heißt: Landauf, landab legen sich alle Kirchenmusikerinnen und Kirchenmusiker besonders ins Zeug und zeigen, was sie können. Zum Beispiel wandert "366+1 - Kirche klingt" durch Deutschland. Die vom Kulturbüro des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) initiierte Konzertreihe hat am Neujahrstag in Augsburg begonnen und wird zu Silvester im sächsischen Zittau ausklingen. Dazwischen gibt es an jedem der 366 Tage des Schaltjahres irgendwo in Deutschland ein Konzert oder einen besonderen Musikgottesdienst, und in der Osternacht erklingt das besondere Konzert ("+1"), das die Osterbotschaft in die Welt trägt.

Sicher: Ein bisschen tragen wir mit dem Jahresmotto Eulen nach Athen. Denn Musik in der Kirche ist eines der Merkmale, die man von uns Protestanten erwartet - und das mit Recht. Schon Martin Luther selbst war ein großer Sänger und ist im Evangelischen Gesangbuch ein häufig zu findender Lieddichter. Vom Reformator sind viele herrliche Worte über die Musik überliefert, zum Beispiel dieses, dass die "Musica" eine "Regiererin" des menschlichen Herzens sei. "Nichts", so Luther weiter, sei auf Erden "kräftiger, die Traurigen fröhlich, die Fröhlichen traurig, die Verzagten beherzt zu stimmen ... denn die Musica." Deswegen beherrschten Christenmenschen die Kunst, "dass man ‚Te deum laudamus‘ (‚Dich, Gott, loben wir‘) singe, wenn es am übelsten gehe".

Noch heute können wir sagen: Ja, das ist wahr. Singen ist eine alle Menschen verbindende Sprache, weil Singen Gemeinschaft erfahrbar werden lässt. Singen ist eine Schule der Kommunikation und letztlich auch eine Säule unserer Kultur. Und ganz wichtig: Singen führt zum Grund des Glaubens. "Wer singt, betet doppelt" - so lautet ein berühmtes Wort, das dem heiligen Augustinus zugeschrieben wird. Das ist natürlich nicht vordergründig quantitativ gemeint, aber es beschreibt gut, was Musik bewirken kann. Sie ist für viele Menschen eine Leidenschaft von Kindesbeinen an, ihre wichtigste Sprache für die Sache mit Gott und damit die ergiebigste Quelle ihres Glaubens.

Musik hilft auch, um aus der Verkopfung und Verkrampfung heilsam herauszukommen. Zwar ist die Rechtfertigungslehre unstrittig das theologische Herz unserer Kirche - jener articulus stantis et cadentis ecclesia, die Sache, mit der unsere Kirche steht und fällt, so nannte es die lutherische Orthodoxie. Aber während theologische Lehren heutzutage manchmal geistige Klimmzüge erfordern, um verstanden und erfahren zu werden, bleibt Musik der natürliche Herzschlag des evangelischen Glaubens - tagaus und tagein. Ja, die Musik ist so etwas wie der color stantis et cadentis ecclesia. Die Farbe der Kirche also, die unser evangelisches Herz in Gange hält und es wiederbelebt, wenn es einmal stockt. So möge es oft geschehen, besonders in diesem heiligen Jahr der Reformation und Musik!

Katrin Göring-Eckardt

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