Auf ein Wort zu 2017

Timmendorfer Strand: Unterschiedliche Perspektiven auf das Reformationsjubiläum
Die Synode hat die Reformatoren im Fokus. Foto: Norbert Neetz
Die Synode hat die Reformatoren im Fokus. Foto: Norbert Neetz
In fünf Jahren jährt sich der Thesenanschlag Martin Luthers zum 500. Mal. Grund genug für die EKD-Synodalen bei ihrer Tagung in Timmendorfer Strand zu fragen, was es eigentlich zu feiern gibt und wer mit wem jubiliert.

Die Aufgabenstellung für die Landeskirchen und Kirchengemeinden ist klar: Die kommenden fünf Jahre sollen genutzt werden, um das Reformationsjubiläum 2017 vorzubereiten. Wenn danach jeder evangelische Christ, jede Christin, die Frage beantworten kann, warum der reformatorische Glaube heute noch wichtig ist und dieses auch noch kundtut, dann könnte vom Jubiläum ein missionarischer Aufbruch ausgehen.

Doch der Reihe nach: Die EKD-Synodalen trafen sich in Timmendorfer Strand zu ihrer jährlichen Tagung unter dem Motto "Am Anfang war das Wort - Perspektiven für das Reformationsjubiläum 2017" - letzteres ein Ereignis von Weltrang und ein Meilenstein der Kirchengeschichte, darin waren sich alle Synodalen, Ratsmitglieder, Mitglieder der Kirchenkonferenz, des Kirchenamts und die Gäste einig. Dass kein deutsches Lutherjubiläum gefeiert werden soll, sondern ein internationales Reformationsfest, das machte der Ratsvorsitzende Nikolaus Schneider in seinem Bericht deutlich. Nebenbei erwähnt: Ein ökumenischer Kongress vom 6. bis zum 10. Oktober 2013 in Zürich, den die EKD gemeinsam mit dem Schweizerischen Evangelischen Kirchenbund (SEK) veranstaltet, soll die ökumenische Weite des Jubiläums zeigen.

Diese deutete schon die Auswahl der geladenen Gäste an, die zu Statements eingeladen worden waren, wie Walter Altmann vom örk-Zentralausschuss, Leslie Nathaniel von der Church of England und Peter Schmid, Vizepräsident des SEK. Doch so einfach lassen sich die anstehenden Fragen und Regularien nicht beantworten. Lediglich der Termin steht fest, denn das Jubiläumsjahr wird, wie schon die anderen Themenjahre der Reformationsdekade, am 31. Oktober 2016 eröffnet.

Zunächst: Wer hat Grund zu feiern? "Die Rechtfertigung des gottlosen Menschen allein aus dem Glauben, die für alle Menschen verständliche Verkündigung des Evangeliums, die Bibel in der Alltagssprache und die entstandenen Bildungsmöglichkeiten für alle - sie zeigen, dass alle Christen Grund haben zu feiern, weil alle von den Früchten der Reformation leben." In seinem Grundsatzreferat zum Schwerpunktthema gab Thomas Wipf, ehemaliger Präsident der Gemeinschaft Evangelischer Kirchen in Europa, auch zu bedenken, dass die Reformation eine gesamteuropäische Bewegung war. Sie solle nicht in Wittenberg eingeschlossen, sondern im gesamteuropäischen Kontext eingebettet werden, forderte der Schweizer reformierte Theologe.

Das Reformationsjubiläum, also für alle Christen ein Grund zum Feiern? Das sieht die katholische Kirche anders. Sie möchte allenfalls von einem Reformationsgedenken sprechen, nicht von einem -jubiläum. Das wurde bei der Synodaltagung deutlich. "Jubiläum, Jubilare, jubeln - passt das?", fragte Hamburgs Erzbischof Dr. Werner Thissen in seinem Grußwort vor der Synode. Er erwähnte in diesem Zusammenhang die Bemühungen der Deutschen Bischofskonferenz und des Rates der EKD, eine Arbeitsgruppe zu berufen, die über die Gestaltung eines gemeinsamen Buß- oder Versöhnungsgottesdienstes nachdenken soll.

Und wie wird gefeiert? Fest steht, dass es am 31. Oktober 2017 einen Staatsakt in der Wittenberger Schlosskirche geben wird. Nach dem Wunsch des EKD-Ratsvorsitzenden Schneider soll dieser Tag auch bundesweit ein Feiertag werden. Wie das Jubiläumsjahr konkret ausgestaltet wird, ist noch nicht in allen Einzelheiten klar. Ein Stationenweg ist geplant, der in Wittenberg in eine Weltausstellung der Reformation münden soll, ein Jugendcamp und ein Großgottesdienst. Neu ist die Zusammenarbeit der EKD mit dem Deutschen Evangelischen Kirchentag, der im Sommer 2017 einen Kirchentag in Berlin feiern wird. Zum Abschlussgottesdienst sollen sich alle auf den Weg nach Wittenberg machen. Diesen Gottesdienst bereiten EKD und Kirchentag schon jetzt gemeinsam vor, verkündete Ellen Ueberschär, GeneralSEKretärin des Kirchentages.

Der Informationsfluss und die Vorbereitungen zum Jubiläumsjahr stießen bei einigen Synodalen auf Vorbehalte. Sie forderten mehr Beteiligung ein. "Schließlich wollen wir als EKD-Synodale die Kirchengemeinden informieren", sagte Irmgard Schwaetzer (Berlin). Und auch Hans-Peter Strenge (Hamburg) äußerte sein Gestaltungs- und Informationsbedürfnis.

Schwieriger gestaltete sich die Frage nach den theologischen Inhalten. Das machte die Diskussion um die Kundgebung (siehe Seite 47) deutlich, die der Vorbereitungsausschuss mit Propst Horst Gorski an der Spitze entwickelt und formuliert hatte. Das theologische Papier, mit dem sich die Synodalen diesmal explizit an die Landeskirchen und Kirchengemeinden wenden, war den einen zu weich formuliert - schließlich hatte es nach der Reformation eine Trennung und Spaltung in der Christenheit gegeben - den anderen fehlte ein nachdrücklicherer Hinweis auf die emanzipatorische Wirkung der Reformation. Manche wünschten sich einen stärkeren Gegenwartsbezug, wieder andere eine Schärfung und Profilierung des Papiers. So der bayerische Bischof Heinrich Bedford-Strohm: Er vermisste die politische Leidenschaft in dem Entwurf. Es gebe keine Frömmigkeit ohne politische Leidenschaft. Der Bezug zur Welt und die Frömmigkeit gehörten bei Luther zusammen.

Die kritischen Synodalstimmen reichten von: "komplett neu schreiben" bis hin zu marginalen Änderungsvorschlägen. Trotzdem: Am Ende entstand ein lesenswerter und diskussionswürdiger Text mit fünf Themenkreisen zu den menschlichen Spannungsfeldern damals und heute. Diese sind nach den drei essentiellen Fragen strukturiert: Wo kommen wir her? Wo stehen wir? Was hoffen wir?

Horst Gorski hat darauf hingewiesen, dass die Kundgebung nur eines von vielen Medien sein wird, die zur theologischen Vorbereitung des Jubiläums dienen kann. Eine Ad-hoc-Kommission zum Beispiel soll Material für Kirchengemeinden erarbeiten.

Die Diskussionen der Synodalen machten deutlich, worum es bei der Vorbereitung des Jubiläums geht: Wie gestalten wir Erinnerung? Und was bedeutet die Rechtfertigung allein aus dem Glauben für uns heute? Wie können wir die reformatorische Botschaft weitergeben? Um diese Fragen glaubwürdig und in zeitgemäßer Sprache zu beantworten, bedarf es noch eines reformatorischen Nachhilfeunterricht. Die fünf Jahre müssen genutzt werden, damit 2017 ein großes Glaubensfest gefeiert werden kann - nicht museal rückwärts, sondern als Kraftquelle für die Zukunft. Schließlich soll die Hoffnung der Kundgebung in Erfüllung gehen, dass "sich mit dem Reformationsjubiläum ein Aufbruch verbindet, diese Botschaft kraftvoll und zugleich verständlich zu allen Menschen zu bringen".

Kathrin Jütte

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Kathrin Jütte

Kathrin Jütte ist Redakteurin der "zeitzeichen". Ihr besonderes Augenmerk gilt den sozial-diakonischen Themen und der Literatur.


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