Gottes List?

Die Literatur und der Glaube
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In Benedicts gut lesbaren Vortragstexten findet sich Kluges bis Inspirierendes über Wilhelm Busch bis Patrick Roth.

Gott habe Bach viel zu verdanken, schrieb einmal der misanthropische Philosoph Emil Cioran. Davon ließ sich der Autor bei der Titelwahl inspirieren. Benedict gehört zu den Christen, denen Glaubenswahrheiten nicht mehr im Bibelbuch verbriefte Findlinge sind und Aufklärung kein Betriebsunfall der Heilsgeschichte ist. Und auch die violette Brille gegen das oft kalte Licht der Naturwissenschaften verschmäht er. Dennoch oder gerade deshalb bieten ihm Kunst, Musik und Poeterey Aussichttürme eines Blicks gen Himmel, dem gewissermaßen Schäfchenwolken mehr sind als nur Eiskristalle in höheren Luftschichten.

Benedict, Theologe und gewesener Professor am Rauhen Haus in Hamburg, ist Kulturbürger im alten Sinne - wenn auch nicht alter Schule, denn er ist auch Kind seiner, der Achtundsechziger-Zeit. Aber ein Alt-Achtundsechziger ist er nicht, kein wandelnder Anachronismus. Schon eher ein Spät- oder Neo-Romantiker, und die sind zeitlos. Das romantische Projekt der Verzauberung der Welt ist auch das seine, vielleicht würde er sogar lieber vom Zauber der Welt reden. Den nämlich brauchte das Christentum, wo seine Blickachse unverbogen geblieben ist, nicht erst zu suchen. Etwa bei Paul Gerhardt: leuchtendes Beispiel für ein einfaches und klares Gottvertrauen. Letzteres wurde zwar oft kritisiert, es sei einlullend, zur Passivität verführend. Doch gerade in Zeiten des Schreckens, so Benedict, lieferte solches Gottvertrauen ein Vademecum, gegen das vermeintlich unerschrockener Wirklichkeitssinn eher als Luxusphänomen zu betrachten ist.

Aber auch sehr viel künstlichere und distanziertere Wege, Gott ins Spiel zu bringen, goutiert Benedict: So etwa den durchweg rhetorischen Gebrauch, den Schiller von Gott, den Göttern und dem Göttlichen macht, wohl weil ihm die aufklärerische Lichtmetapher ohne ein beseeltes Jenseits zu blass blieb. Aber, so ist Benedict wohl zu verstehen, die Brücke der Rhetorik ist nicht einsturzgefährdeter als irgendeine durch Frömmigkeitsübungen errichtete.

Noch dem alten Heiden Goethe habe Gott einiges zu verdanken. In dessen Streben, exemplarisch zu leben, wahrer Mensch sein zu wollen, erkennt Benedict einen tief religiösen Trieb. Selbst, wo sich Trieb auf Johannis reimt, etwa in Goethes erotisch grundierter Freundschaft mit der jungen Marianne von Willemer, findet Benedict jene energische Wegbahnung zum Göttlichen - und hält es für möglich, dass Gottes List gerade darin besteht, die Kunst, auch, wo sie nichts von ihm wissen will, auf die eigene Spur zu setzen.

In Benedicts gut lesbaren Vortragstexten findet sich des Weiteren Kluges bis Inspirierendes über Wilhelm Busch bis Patrick Roth. Gern setzt der Autor dabei das Gelesene zur eigenen Person in Bezug, nicht eitel, sondern als demonstrative Verweigerung, den Leserblick autoritativ lenken zu wollen. Gerade das mag anregen, es ihm nachzutun, im Sich-Einlassen wie im Darüber-Kommunizieren, auch wenn nicht gleich ein Buch daraus werden soll.

Hans-Jürgen Benedict: Was Gott den Dichtern verdankt. EB-Verlag, Berlin 2011, 276 Seiten, Euro 19,80.

Helmut Kremers

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