Fünf Mark

Ein Punktum
Foto: privat
Quote hat Recht. Das ist gut demokratisch. Mit den Füßen wird hier zwar nicht abgestimmt, sondern mit jenem anderen Körperteil. Ein Schuft, der Böses dabei denkt.

Wenn mein Vater irgendeine Aufforderung besonders dämlich fand, pflegte er zu sagen, er würde etwas nicht tun, nicht kaufen, irgendwo nicht hingehen, selbst "wenn man ihm fünf Mark dabei" gebe. Natürlich ist es nie zur Nagelprobe gekommen. Nie wollte jemand etwas "dabei geben". Selbst dann nicht, wenn etwas wie sauer Bier angeboten werden musste.

Aber einmal ist bekanntermaßen immer das erste Mal. Nun ist es also passiert: Gleich dreißig Euro wurden "dabei gegeben" - die Zeiten haben sich geändert, für den Gegenwert eines "Heiermanns" (so hieß das Fünf-Mark-Stück auch) pro Gesäß setzen sich heute so leicht keine Massen in Bewegung. Die dreißig Euro aber bekam nun jeder Zuschauer, der bei der Aufzeichnung der neuen Supertalent-Show des Dieter Bohlen (nebst Thomas Gottschalk und Michelle Hunziker) als Publikums-Statist zu sitzen bereit war. Ob besagte Massen auf diese Ankündigung andrangen oder ob die Locksumme noch erhöht werden musste, ist dem Chronisten leider nicht bekannt, auch nicht, ob die Probanden bestimmte Kriterien zu erfüllen hatten - zu allererst etwa hohe Lach- und Klatschbereitschaft ("Wenn es einen wirklichen Anlass zur Heiterkeit gibt, schmunzle ich gern einmal" reicht da ja wohl nicht), sortiert nach Alter, Geschlecht, Hautfarbe etc. Jedenfalls lässt sich denken, dass die Mischung stimmen musste.

Und, ach ja, der Ort der Handlung ist zu beachten, das Berliner Tempodrom. Berlin! Da sollte sich ja wohl jede Kombination von Komparsen zusammenstellen lassen. Und das hat nicht auf Anhieb geklappt? Ist es voreilig, den Berlinern darob ein Kompliment zu machen? Aber wieso Kompliment? Läge darin nicht schon mehr als nur eine Spur von Dünkelhaftigkeit? Oder ist es ohnehin ganz anders? Haben die Berliner, bevor die dreißig Euro ausgelobt worden sind, sich in ihrem unnachahmlichen Pragmatismus gesagt: "Wat soll ick da? Kiek ick mir inne Jlotze an" ? Wir wissen es nicht. Wir ahnen nur (nein, das Wort "befürchten" fällt hier ganz bestimmt nicht, von wegen Dünkel), dass die Supertalent-Show nicht an Zuschauermangel eingehen wird. Und Quote hat Recht. Das ist gut demokratisch. Mit den Füßen wird hier zwar nicht abgestimmt, sondern mit jenem bereits erwähnten anderen Körperteil. Ein Schuft, der Böses dabei denkt. Vox populi, vox dei, sagte der Lateiner vornehm, die Stimme des Volkes ist die Gottes. Zu dem Spruch gibt es eine despektierliche (und in allerhöchstem Maße dünkelhafte) Variante, von der hier zu schweigen ist, denn immerhin: Endlich einmal musste etwas "dabei gegeben" werden. Mein Vater wäre trotzdem nicht hingegangen.

Helmut Kremers

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