Volksmusik?

Umstritten: "Frei.Wild"
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Die Grünen befürchten versteckte "völkisch-nationalistische Botschaften", die SPD einen "rechten Auftritt". Was ist nun dran?

Wohin mit unseren Gefühlen? Begeisterung, Suche nach Nähe, Zärtlichkeit? Mit Angst vor Verrat, Kränkung, Wut? Finden viele einen gemeinsamen Ausdruck dafür, haben wir ein Phänomen, etwa beim Fußball im Stadion. Die Welt ist plötzlich einfach. Schwarzweiß. Wir, die anderen. Gleichklang hilft. Zwar assoziieren wir "Masse und Macht" und finden das unheimlich, schön ist es aber doch. Und zeigen nicht längst auch viele Kirchengemeinden die "Spiele der deutschen Mannschaft"?

In der Popmusik gibt es das auch. Etwa beim Deutschpunk der Toten Hosen, die zu Weihnachten in Dortmunds ausverkaufter Westfalenhalle zwei Mal vor 12000 Leuten spielten. Alle sangen alles mit. "Dann kann es eigentlich nur Volksmusik sein. Und das ist toll", fand der Reporter der waz-Gruppe. Zwei Monate zuvor spielte hier die Südtiroler Band "Frei.Wild". Auch da sangen alle alles mit, und vom Stil war es (grob gesehen) oft ähnlich. Frei.Wild machen Metal-Punk mit deutschen Texten. In der Presse sorgte das jedoch bereits im Vorfeld für ganz andere Töne, da Kritiker den bekennend Heimat liebenden Frei.Wild-Männern vorhalten, eine völkische oder gar Neonazi-Band zu sein, was die vehement abstreiten. Trotzdem gab es viel Aufregung, zumal die Stadt Dortmund die Halle betreibt. Die Grünen befürchteten versteckte "völkisch-nationalistische Botschaften", die SPD einen "rechten Auftritt", und Dortmunds SPD-OB drohte der Band vorab, nach dem Motto "Keine falsche Bewegung!"

Was ist nun dran? "Es gibt nur ihre Meinung und sie denken nur schwarz-weiß/Sie bestimmen was gut, was böse ist, sie sind das, worauf ich scheiß", singen Frei.Wild in dem Song "Moralapostel und Gutmenschen" ihres neuen Albums, dem achten Studioalbum seit Bandgründung 2001, das gleich auf Rang 2 der Charts einstieg. Abgrenzungsrhetorik, die typisch ist für ihre Songs und offenbar mit ein Grund für ihren Massenerfolg. Präsentiert im Gestus gegen "die da oben". Harter Rock, eingängige Melodien, treibende Vierviertel, hoher Mitsingfaktor. So funktionieren Subkulturen. Das Gefühl, unverstanden zu sein und ungerecht behandelt zu werden, verbindet Fans und Band. Erst recht, wenn man so schweres Geschütz auffährt wie gegen Frei.Wild. "Ich finde es sehr traurig, dass man wirklich nicht probiert, Menschen eine zweite Chance zu geben, und das ist in meinem Fall schlichtweg der Fall", sagt Sänger Philipp Burger, der früher in einer rechten Band war und Rassismus nun "geistigen Dünnschiss" nennt. Trotzdem singt er über Heimatliebe, über die Sehnsucht nach Treue, Freundschaft, Verrat, Enttäuschung und Wut. Worum es in Rockmusik eben oft geht. Und alle singen mit.

Frei.Wild - Feinde deiner Feinde. Rookies & Kings/spv 2012.

Udo Feist

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