Unumkehrbar

Ein Punktum
Foto: privat
Mag sein, dass älteren Personen, bei denen sich im Laufe ihres Lebens die Empörungsbereitschaft ein wenig abgeschliffen hat, die deutsche Empörungsbereitschaft immer ein wenig ... na ja ... vorkommt. Aber wenigstens amüsieren sie sich noch...

Erinnern Sie sich an die Brüderle-Debatte? Wahrscheinlich hat sie beim Erscheinen dieser Glosse längst einem neuen Skandal weichen müssen. So braucht einem dazu nichts mehr einzufallen. Schon gar nichts Komisches. Letzteres wäre ohnehin heikel, von wegen Herrenwitz. Also kein Wort darüber, dass es auf absehbare Zeit niemandem, der Frau Himmelreich Aug' in Aug' gegenübersteht, gelingen wird, seinen Blick auf Augenhöhe zu halten ohne ihn wenigstens ganz kurz unter Halskettenniveau sinken zu lassen. - Möglicherweise riecht schon diese Bemerkung nach Sexismus. Also schnell noch mal beteuern: Es wurde sich zu Recht empört, wir wissen nun, wie viele Brüder im Geiste Brüderle hat. Dass es sich nebenbei um ein deftiges Stück Schmierenjournalismus von Seiten des "Stern" handelte, ändert nichts daran. Schließlich zeigte sich unsere original deutsche Empörungskultur in schönstem Licht. Darauf können wir stolz sein. Die macht uns keiner nach.

Mag sein, dass älteren Personen, bei denen sich im Laufe ihres Lebens die Empörungsbereitschaft ein wenig abgeschliffen hat, die deutsche Empörungsbereitschaft immer ein wenig ... na ja ... vorkommt. Aber wenigstens amüsieren sie sich noch, zum Beispiel, wenn ausgerechnet ein Mann von der Sorte "alter Sack" den allerschärfsten Feministen gibt. Heiner Geißler natürlich. Nämlich in einer Talk-Show. Keine Ahnung welche, ich halte die alle nicht lange aus, aber Geißler hat mich denn doch ein paar Minuten gehalten.

Apropos "alter Sack": Ich erkläre ausdrücklich, diese aufgeschnappte Bezeichnung hier nur als Zitat wiedergegeben zu haben und auf keinen Fall zu billigen.

Im Gegenteil: Für die mit ihr diskriminierte Gruppe habe ich geradezu ein Faible - Helmut Schmidt, Jörg Zink und natürlich Heiner Geissler, Sie wissen schon.

Überhaupt gelten ja Ausfälle gegen Männer bisher noch als völlig in Ordnung, auch solche, die umgekehrten Falls als grobe Sexismen angeprangert würden. Erst seit kurzem bringen maskuline Revanchisten eine Retourkutsche auf den Weg, indem sie Gleichberechtigung fordern. Billig, gewiss, aber wer hätte je von einer teuren Retourkutsche gehört? Doch immerhin: Nichts darf eine Einbahnstraße bleiben, heißt es doch immer. (Hier folgt nun eine kurze Besinnungspause des Autors, dann:) Halt! Das Einbahnstraßenbild taugt nichts. Besser und korrekter ist es, von unumkehrbaren Entwicklungen zu reden, für die ungeachtet ihrer Unumkehrbarkeit weiterhin hart gekämpft werden muss. Diese Erkenntnis wird bleiben von der Brüderle-Affäre. Auch wenn einem sonst nichts mehr zu ihr einfällt.

Helmut Kremers

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