Shiloh Town

Songs von Tim Hardin
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Zu dessen Lebzeiten hielt Dylan Hardin für den besten Songwriter überhaupt. "Reason To Believe" ist ein guter Anlass, das wieder zu entdecken, denn die Songs leben weiter. Auch wenn er selbst fand, dass sie nie persönlich waren und er bloß ihr Medium.

"Don't Make Promises You Can't Keep" - mild perlend von Neuseelands Psychedelik-Poppern Phoenix Foundation eröffnet das Tim Hardin-Tributealbum "Reason to Believe". Ausgerechnet, war doch der mit 39 an einer Überdosis Heroin verstorbene US-Singer-/Songwriter Experte geplatzter Versprechen. Nicht nur, dass er sein Talent mit desaströsem Leben vergeudete, auch im Umgang war er, gelinde gesagt, heikel. Produzent Charles Koppelman in den Liner Notes: "Tim war ein Junkie und stand für Ärger, aber er hatte eine unglaubliche Stimme - Kraft, Spannweite, Rhythmus waren großartig - und unglaublich starke Songs." Mit denen er es 1969 noch nach Woodstock schaffte, doch sein Leben war da schon vor allem Niedergang. Seine Platten kauft kaum noch jemand, die Songs sind in Coverversionen (von Paul Weller, Marianne Faithfull, Rickie Lee Jones, Johnny Cash, Billy Bragg, Nico, Yo La Tengo, Rod Steward, The Nice, Joan Baez, Elton John) zum Glück noch präsent. Dreizehn der bekanntesten wie "If I were a Carpenter" eingespielt von Musikern von heute versammelt nun "Reason To Believe".

Die exquisiten Beiträger zu der Tim Hardin-Hommage inszenieren seine Songs ganz unterschiedlich. Der Isländer Snorri Helgason präsentiert "Misty Roses" puristisch zur akustischen Gitarre. Die Dänen Pinkunoizu, die Folk mit Asien-Pop verbinden, verdichten "I Can't Slow Down" zum intensiven Kammerstück, das trotz weicher Streicher ähnliche Effekte wie "The End" von den Doors erreicht. "Part of The Wind" (The Diagrams) zwitschert mit Alice-im-Wunderland-Anmutung elektronisch, The Magnetic North fassen "It's Hard To Believe in Love For Long" in Frauenchor und Harmoniumsound. "How Can We Hang On To A Dream?", haltlos gut von Alela Diane. Und heute bemerken wir eine Korrespondenz der Zeile "Why can it never be the way it seems?" zu Dylans Songpoem "Highlands" von 1997, wo es heißt: "Everything was exactly the way it seems."

Euphorisierte Popphilologie? Kaum. Zu dessen Lebzeiten hielt Dylan Hardin für den besten Songwriter überhaupt. "Reason To Believe" ist ein guter Anlass, das wieder zu entdecken, denn die Songs leben weiter. Auch wenn er selbst fand, dass sie nie persönlich waren und er bloß ihr Medium. Wer nun Gavin Clarks "Shiloh Town" hört - bluesig-schmirgelndes Schmachten, Orgel, tiefer Hall, Frauenstimmen im Background, die Gitarre schlägt: der Hit der Compilation - bekommt eine Gänsehaut. Es geht um Männer, die fort waren, wohl in Vietnam, Frauen, die warten, Verlust, das Vergebliche, bleibenden Schaden und berührend hilfloses "We'll all sing Hallelujah/When they arrive at home". Erschienen auf "Nine", Hardins letztem noch selbst fertiggestellten Album: "It is so cold in Shiloh Town/Birds can hardly sing." Ein schaurig schöner Ort.

Reason To Believe - The Songs of Tim Hardin. Full Time Hobby/Rough Trade 2013.

Udo Feist

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