Am Ende schmutziges Geld

Die Kirchen in Deutschland sollten freiwillig auf die Staatsleistungen verzichten
Die Staatsleistungen verdunkeln Jahr für Jahr die Botschaft der Kirchen, dass es ihr nicht um den schnöden Mammon, sondern um die Menschen geht.

Dank Franz-Peter Tebartz-van Elst, einst Bischof in Limburg, haben wir es seit dem vergangenen Jahr mehrmals schriftlich bekommen: Die beiden deutschen Volkskirchen leben nicht vom Manna, das vom Himmel fällt. Und auch, wenn Papst Franziskus in Rom eine arme Kirche der Armen fordert und viele deutsche Protestanten ihm da gern beispringen - die beiden Volkskirchen mit ihren rund 47 Millionen Mitgliedern hierzulande sind, gerade im weltweiten Vergleich, sehr reich.

Auf 350 Milliarden Euro schätzt der Kirchenkritiker Carsten Frerk aufgrund langjähriger Recherche den Gesamtreichtum der beiden Volkskirchen, also ihr Geldanlage- und Grundvermögen. Genauere Zahlen können auch die Kirchen nicht liefern. Hinzu kommen rund zehn Milliarden Euro, die beide Volkskirchen zusammen im Jahr im Schnitt an Kirchensteuer-Einnahmen haben. Obendrauf erfreuen sich die Kirchen jährlich über ebenso viel Geld aus anderen Quellen, also zum Beispiel aus Kollekten, Schulgeld, Mieten und Zinserträgen.

Besonders umstritten sind aber vor allem die so genannten Staatsdotationen für das "Kirchenregiment", die eigentlichen "Staatsleistungen". Es sind Zahlungen des Staates an die reichen Kirchen. Das Geld wird seit rund 200 Jahren an die beiden Volkskirchen gezahlt, weil sie Anfang des 19. Jahrhunderts im Zuge der Säkularisierung und als Folge des Reichsdeputationshauptschluss im Jahr 1803 einen Großteil ihres Besitzes an die Territorialfürsten verloren haben. Die aktuell gezahlte Summe umfasst insgesamt etwa 450 Millionen Euro pro Jahr an beide großen Kirchen.

Diese eigentlichen Staatsleistungen gehören abgeschafft! Wie die zuvor genannten Zahlen belegen, vor allem die rund 20 Milliarden jährlichen Einnahmen der Kirchen aus der Kirchensteuer und anderen Einkünften, wäre ihr Wegfall für die Kirchen relativ leicht verkraftbar. Die Staatsleistungen machen gerade einmal rund drei Prozent der jährlichen Einnahmen der Kirchen aus, und kluge Kirchenführer wie der scheidende EKD-Ratsvorsitzende Nikolaus Schneider signalisieren in der Öffentlichkeit immer wieder: Über einen Wegfall dieser Zahlungen ließe sich mit den Kirchen durchaus reden.

Nun weisen die Juristen der Volkskirchen stets darauf hin, dass diese Staatsleistungen juristisch wasserdicht sind - der Staat ist schlicht verpflichtet, diese Gelder den Kirchen zu überweisen. Das gilt, auch wenn schon die Weimarer Reichsverfassung ein Ende der Staatsleistungen gefordert hat, woran der Humanistische Verband Deutschlands (HVD) in großer Regelmäßigkeit erinnert.

Eine arme Kirche für die Armen

Dennoch: Die Staatsleistungen sind am Ende schmutziges Geld, das den Kirchen mehr schadet, als dass es ihnen hilft. Es ist öffentlich nur noch mit größten rhetorischen Tricks vermittelbar, dass der Staat auch 200 Jahre nach einer erfolgten Enteignung eine Schuld abzutragen habe - und dies nicht schon längst in den vergangenen zwanzig Jahrzehnten durch seine Zahlungen getan habe. Wenn hier überhaupt noch von einer historischen Schuld des Staates die Rede sein kann, so dürfte sie nach menschlichem Ermessen schon lange getilgt sein. Auch die Beichte verpflichtet nicht zu unendlichen Sühneleistungen, eine tätige Reue ist vor Gott viel mehr wert, um angesichts des nahenden Reformationsjubiläums eine kleine Anspielung an die Ablass-Diskussion zu wagen.

Nein, das Geld aus den Staatsleistungen mag den Kirchen zustehen, aber sie sollten dennoch freiwillig darauf verzichten oder es laut und deutlich in anderen Kanäle umleiten, die nichts mit ihrem zentralen Arbeitsfeld zu tun haben, also zum Beispiel in die öffentliche Bildung, was einem Vorschlag ähnelt, den kürzlich ein McKinsey-Manager machte.

Eine arme Kirche für die Armen - dieses Leitbild des neuen Papstes zu verwirklichen wird der katholischen Kirche schon schwer genug fallen. Wenn sie aber die Staatsleistungen behält, wird sie noch nicht einmal glaubhaft versichern können, dass sie dies zumindest versucht. Und auch die protestantische Kirche wird sich dieser Debatte nicht verschließen können.

Angesichts der fortschreitenden Säkularisierung der deutschen Gesellschaft werden die Forderungen nach einer strikteren Trennung von Staat und Kirche auch hierzulande zunehmen - ebenso der Rechtfertigungsdruck für beide Kirchen, auch weil in wenigen Jahren die Mehrheit der Bevölkerung nicht mehr den Volkskirchen angehören wird. Die Staatsleistungen verdunkeln Jahr für Jahr die Botschaft der Kirchen, dass es ihr nicht um den schnöden Mammon, sondern um die Menschen geht. Die Staatsleistungen werden auf Dauer nicht zu halten sein. Wenn die Kirchen klug sind, sollten sie von sich aus auf sie verzichten.

Philipp Gessler ist Redakteur für Religion und Gesellschaft beim Deutschlandradio in Berlin.

Philipp Gessler

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