Die bayerische Judit

Über Argula von Grumbach
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"Die Bedeutung ihres Lebens ist deutlich unterschätzt worden", sagt Peter Matheson über Argula von Grumbach. Mit seiner Biographie gelingt es ihm nicht nur, diese Lücke nun zu schließen.

Sie war die erste Reformatorin Europas, eine couragierte, selbstbewusste und glaubensfeste Laientheologin. Ihrer Zeit weit voraus nicht nur in ihrem Engagement für Toleranz, Gewissensfreiheit und Dialog, sondern auch in ihrer deutlichen Kritik an gesellschaftlichen Missständen und dem Thematisieren der Geschlechterfrage. Die Rede ist von Argula von Grumbach, der der neuseeländische Kirchenhistoriker Peter Matheson mit einer Biographie die ihr zukommende Würdigung erweist.

In dieser ersten wissenschaftlichen Lebensbeschreibung entwirft Matheson, der weltweit an Universitäten lehrte und zuletzt als Professor am Knox Theological College in Dunedin (Neuseeland) gearbeitet hat, ein lebendiges und facettenreiches Bild der Flugschriftenautorin.

Wie Matheson selbst im Vorwort seines kenntnisreichen und auch für Nicht-Theologen gut verständlichen Buches schreibt, stieß er während seiner Forschungsarbeiten zufällig auf die Schriften Argulas. "Die Bedeutung ihres Lebens ist deutlich unterschätzt worden", so sein Befund. Mit seiner Biographie gelingt es ihm nicht nur, diese Lücke nun zu schließen, er macht auch Lust darauf, sich mit den Schriften dieser bemerkenswerten Frau der frühen Neuzeit ausführlicher zu beschäftigen.

Wie gut, dass Matheson bereits 2010 eine kritische Edition der Schriften Argula von Grumbachs herausgegeben hat, so dass nun nicht mehr aufwendige Besuche in Bibliotheken mit Handschriften des 16. Jahrhunderts nötig sind, sondern das Lesen der sprachgewaltigen Briefe der ersten evangelischen Publizistin im heimischen Sessel möglich geworden ist.

"Diese bayerische Aristokratin kann uns verwirren, befremden, vielleicht auch beängstigen. Aber ihre Integrität, ihr Mut, ihre Vorstellungskraft und Zähigkeit sprechen uns noch immer an, während ihr Widerstand gegen kulturelle und gesellschaftliche Zwänge uns bisweilen den Atem nimmt." So stellt der Neuseeländer die Freifrau vor und weckt die Neugier auf ihr bewegtes Leben, das er in insgesamt elf Kapiteln ausbreitet.

Dabei gelingt es ihm, die Anliegen der Reformatorin immer wieder mit Themen der heutigen Zeit zu verknüpfen, wenn er von ihrem Plädoyer für Verständigung und Gesprächsbereitschaft erzählt, ihre Zivilcourage würdigt oder ihre Überlegungen zur Teilnahme von Frauen in Kirche und Gesellschaft sowie ihre Kritik des gewalttätigen und sexuellen Verhaltens mancher Männer schildert. Matheson zitiert ausführlich aus Quellen. Da diese - obwohl auf Deutsch geschrieben - nicht auf Anhieb leicht zu verstehen sind, bietet der Autor an vielen Stellen Übersetzungshilfen. Denn seine Biographie wendet sich nicht nur an ein Fachpublikum.

Bei der Lektüre des 260 Seiten umfassenden Werkes entsteht ein lebendiges Bild der Reformationszeit. Welche Werte waren für den Landadel vor 500 Jahren wichtig? Wie ging es in einem Wirtshaus zu? Was prägte das Leben der einfachen Leute?

Nicht nur das literarische Wirken durch ihre spektakulären Flugschriften wird ausführlich behandelt, auch der Alltag Argulas mit ehelichen Auseinandersetzungen, der Sorge um die vier Kinder, ihren unternehmerischen Entscheidungen auf den Ländereien und ihr vielfältiges Netzwerk von Freundinnen und Briefpartnern erscheint plastisch und lebensnah.

Mit Querverbindungen zu Schriften Martin Luthers, aber auch zu denen von Paul Speratus und Andreas Osiander stellt uns Matheson seine Protagonistin als eine gebildete Frau dar, die an den theologischen Disputen ihrer Zeit teilnahm und auf Augenhöhe diskutierte.

So ist dieses Buch eine sehr lesenswerte und faszinierende Fallstudie zum Leben von Frauen und ihrer Bedeutung für die Reformation am Beispiel einer mutigen Kämpferin (siehe auch zz 6/2014).

Peter Matheson: Argula von Grumbach. Verlag Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2014, 263 Seiten, Euro 39,99.

Sonja Domröse

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