Druckfehler

Ein Punktum
Foto: privat
Sollte man sich auf den volkstümlichen Druckfehlerteufel hinausreden? Ach, der Teufel ist samt allen Unterteufeln theologisch längst pensioniert. Reden wir lieber von der Tücke des Objekts...

Die Druckfehlerplage tritt seit Erfindung der Buchdruckerkunst auf. Vor Gutenberg hat es Schreibfehler gegeben, die Mönche des Mittelalters konnten sie nicht vermeiden, ägyptische Papyri waren nicht frei von ihnen, und selbst in Stein gehauen sind sie zu finden. Es gibt demütige Geister, die argwöhnen, es reize den Menschen ohnehin nur zu verwerflicher Eitelkeit, wenn er Selbst-Erdachtes gedruckt vor sich sieht und somit Schreib- und Druckfehler als moralisch hoch erwünschte Dämpfer für alle Verlockungen der superbia werten. In der Praxis geht es so zu: Man schlägt ein druckfrisches Heft auf - und augenblicklich springt einem ein Druckfehler ins Auge.

Sollte man sich auf den volkstümlichen Druckfehlerteufel hinausreden? Ach, der Teufel ist samt allen Unterteufeln theologisch längst pensioniert. Reden wir lieber von der Tücke des Objekts, die erstmals 1879 von dem Ästhetikprofessor Friedrich Theodor Vischer in seinem Werk: "Auch Einer" aufgedeckt wurde. Er entlarvt das üble Treiben meist menschengemachter Objekte, die alles Mögliche anstellen, um ihren Besitzer in schwere Wut zu versetzen, selbst unter Einsatz ihrer eigenen Existenz. So, wenn eine Taschenuhr beim Zubettgehen sorglich auf dem Nachttisch platziert wird, sich dann aber im Schutz der Dunkelheit an den Rand desselben vorrobbt und hinabstürzt, als wahre Selbstmordattentäterin auf den Seelenfrieden ihres Besitzers.

Heimito von Doderer hat in seinem Grotesk-Roman "Die Merowinger" behauptet, diese Grimm auslösenden Objekte seien spezielle Konstruktionen einer dubiosen Londoner Firma namens Hulesch & Quenzel. Da diese Firma schon über die Kapazitäten der NSA verfügen müsste, um für alle Druckfehler verantwortlich zu sein, halten wir es mit der älteren Theorie und deuten die Druckfehler als aufrührerische Tücke der Buchstabenschar gegen den ihr auferlegten Zwang zur Aussagedisziplin. Rätselhaft ist, wie es ihr gelingt, gerade den peinlichen Druckfehler vor vorzeitiger Entdeckung zu schützen. Erst wenn nichts mehr zu ändern ist, lässt er die Maske fallen. Der Druckfehler. Hier ein Beispiel aus einer leidvollen Reihe: Kaum hatte ich die letzte Ausgabe unseres Heftes aufgeschlagen, sprang mir schon aus dem Editorial der Satz entgegen: "Seit der Obrigkeit untertan ..." Seit. Mit T. Nicht mit D. In meinem eigenen Text! Unerklärlich. Da gilt es, mir selbst meine professionelle Gelassenheit zu demonstrieren: Was soll's! Druckfehler treten seid ... äh ich meine: seit Olims Zeiten auf. Wer täglich mit Texten umgeht und selbst welche verfasst, den lassen sie kalt. Der ist abgebrüht. Ein müdes Schmunzeln, mehr nicht. (Mmh. Meditatives Schweigen. Dann, heftig:) Sie ärgern mich doch. Und wie sie mich ärgern! Die Druckfehler! Besonders wenn sie im eigenen Text auftauchen.

Helmut Kremers

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